Freitag, 8. Mai 2015

Avengers: Age of Ultron

Es wird düster im Leinwand-Universum von Marvel Comics. Der Kurzauftritt von Erz-Bösewicht Thanos (Josh Brolin) im Abspann von The Avengers (2012) liess den Beginn einer Ära erahnen, in der selbst Superhelden wie Iron Man (Robert Downey Jr.), Captain America (Chris Evans), Thor (Chris Hemsworth) oder der Hulk (Mark Ruffalo) am Ende eines Films nicht mehr für vollumfängliche Ordnung zu sorgen vermögen, in der die Sicherheit gewisser sekundärer Protagonisten wie Hawkeye (Jeremy Renner) oder Black Widow (Scarlett Johansson) nicht mehr gewährleistet ist. Die angekündigten Marvel-Titel verheissen eine kriegerische Zukunft für die Avengers-Franchisen: 2016 steht dem Publikum Captain America: Civil War ins Haus; Thors drittes Abenteuer, welches 2017 in die Kinos kommen soll, heisst Ragnarök, nach der nordischen Apokalypse; der auf zwei Filme aufgeteilte dritte Avengers-Teil (2018/2019) trägt den sprechenden Titel Infinity War.

Diese schwelende Düsternis ist Programm in Age of Ultron – Joss Whedons Fortsetzung zu seinem eigenen The Avengers und aller Voraussicht nach seine letzte Arbeit unter dem Marvel-Banner (für Infinity War wurden Anthony und Joe Russo als Regisseure verpflichtet) –, dem insgesamt elften Eintrag ins "Marvel Cinematic Universe". Nachdem sich in Iron Man 3, Thor: The Dark World und Captain America: The Winter Soldier – womöglich der bislang beste Film im MCU – bereits Selbstzweifel und Paranoia in die scheinbar so simple Welt der maskierten Rächer eingeschlichen haben, erreicht die Verunsicherung in Age of Ultron einen neuen Höhepunkt.

Dass sich Marvels bunte Helden nun einer ernsthafteren Bedrohung als üblich ausgesetzt sehen, wird hier versinnbildlicht durch den Titel gebenden Schurken: Ultron (der ausgezeichnete James Spader) kündigt sich mit verzerrt vorgetragenen Darbietungen des Songs "I've Got No Strings" aus Disneys Pinocchio an. Es handelt sich bei ihm um ein von Tony Stark (Iron Man) und Bruce Banner (Hulk) entwickeltes Computerprogramm, dessen Aufgabe es ist, die Welt vor Krieg und Verderben zu beschützen. Doch Ultrons Interpretation seines Auftrags bringt ihn dazu, die Menschheit ausrotten zu wollen – sind es doch die Menschen, welche für den Grossteil der Konflikte auf der Erde verantwortlich sind.

Die Avengers – v. l.: Hulk (Mark Ruffalo), Captain America (Chris Evans), Thor (Chris Hemsworth), Iron Man (Robert Downey Jr.), Black Widow (Scarlett Johansson) und Hawkeye (Jeremy Renner) – sind wieder vereint.
© Marvel Studios
Die Verhältnisse im MCU haben sich endgültig verschoben: Erzählten Filme wie Captain America: The First Avenger oder The Avengers noch von Angriffen von aussen – Nazis, Aliens, göttliche Doppelagenten –, sind eindeutige Identifikationen von Gut und Böse spätestens seit The Dark World passé. Bis ungefähr 2012 widerspiegelten Marvels Kinoproduktionen den Schatten von 9/11, die anhaltende Furcht vor einer fremden Bedrohung, der nur in geschlossener Eintracht Einhalt geboten werden kann. Mittlerweile jedoch scheinen die zahllosen Enthüllungen rund um die Spionage der NSA die Fantasie der Hollywood-Autoren und Filmemacher beflügelt zu haben. In The Winter Soldier stand die Unterwanderung des Avengers-Geheimdienstes S.H.I.E.L.D. im Zentrum; derweil Ultron selber als Bösewicht gewordene NSA gelesen werden kann. Ins Leben gerufen, um die Welt mit seinem grenzenlosen Wissen zu schützen, wendet er sich gegen seine Erschaffer. Whedon, bekannt für den scharfen Subtext seiner Genrefilme (The Cabin in the Woods, Much Ado About Nothing) und -serien (Buffy the Vampire Slayer, Firefly, Dollhouse), lässt die in den vergangenen zwei Jahren oft geäusserten Bedenken über das Risiko kaum regulierter Überwachung äusserst perzeptiv in sein Drehbuch einfliessen.

Der als Friedenswächter programmierte Ultron (James Spader) versucht, die Menschheit auszulöschen.
© Marvel Studios
Allerdings ist und bleibt Age of Ultron letztlich ein Blockbuster, dessen thematische Reichweite nach etwa einem Drittel der Laufzeit ihren Höhepunkt erreicht und sich in der Folge überwiegend am typischen Marvel-Schema orientiert. (Zum Vergleich: The Winter Soldier ergab sich erst im letzten Akt der Konvention.) Doch hier bestätigt sich Whedons Ruf als Genre-Experte. Auch nachdem die ethischen Diskussionen zwischen Stark, Banner und Steve Rogers (Captain America) den ausgedehnten Action-Nummern gewichen sind, bleibt der Film nicht nur hochgradig unterhaltsam, sondern auch emotional durchaus ansprechend – sofern man mit den Figuren einigermassen vertraut ist. Inzwischen ist das MCU nämlich an einem Punkt angelangt, an dem man sich ohne eine gewisse Dosis Vorwissen über die Hintergründe der verschiedenen Hauptcharaktere – zu denen mit Quicksilver (Aaron Taylor-Johnson) und Scarlet Witch (Elizabeth Olson) zwei Neulinge hinzugefügt werden – schnell verloren fühlen kann.

Für den treuen Anhänger des cineastischen Marvel-Kanons aber darf der äusserst atmosphärische zweite Avengers-Teil als Erfolg bezeichnet werden. Zwar hinterlässt er weniger tiefe Spuren als sein Vorgänger – auch auf Grund dessen erhebender Klimax, während hier zum Schluss die Samen des bevorstehenden (Bürger-)Kriegs gesät werden –, doch auch Age of Ultron begeistert mit berauschenden Spezialeffekten, einem feinen Sinn für Humor sowie einer neu gefundenen Umsicht – wie in Guardians of the Galaxy dreht sich der Schlussakt mindestens ebenso sehr um die Rettung unschuldiger Passanten wie um die Zerstörung von Ultrons Roboter-Armee. Es ist ein Film des stilistischen wie auch thematischen Übergangs – und diese undankbare Aufgabe erfüllt er mit Bravour.

★★★★

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen