Insofern hat Dick Nolans Äusserung – Teil einer Beschreibung von Walter Keane (Christoph Waltz), der in den frühen Sechzigerjahren die weltweit begehrten, von seiner Ehefrau Margaret (hervorragend: Amy Adams) gemalten Gemälde grossäugiger Kinder unter seinem Namen verkaufte – etwas Ironisches, da Big Eyes, trotz eines allzu theatralisch aufspielenden, Fratzen schneidenden Christoph Waltz, zu den subtileren Einträgen in Burtons Filmografie zu zählen ist. Wie in Edward Scissorhands setzt der Regisseur und Keane-Sammler Burton seinem Publikum eine auf den ersten Blick bildhübsche Welt vor, ein farbenprächtiges, scheinbar paradiesisches Bilderbuch-Boom-Amerika – eingefangen vom ansonsten für seine entsättigten Aufnahmen bekannten Kameramann Bruno Delbonnel (Harry Potter and the Half-Blood Prince, Inside Llewyn Davis) –, unter dessen Oberfläche sich allerdings schreckliche menschliche Abgründe öffnen.
Lieblich, aber unterschwellig bedrohlich – dieses Gefühl hinterlassen nicht nur Delbonnels Bildgestaltung und die Musikuntermalung des langjährigen Burton-Kollaborateurs Danny Elfman, der hier seine besten Kompositionen seit Jahren vorlegt. Die wahre Geschichte von Margaret Keanes langem Kampf um Anerkennung verrät viel über die Verhältnisse der Geschlechter und die gefährlichen Dynamiken hinter der Fassade des hoch anständigen Bürgertums. Dass Burton, vielleicht zum ersten Mal, an einem explizit feministischen Punkt ansetzt, suggeriert bereits die erste Linie des Films: "The 1950s were great – if you were a man". Entsprechend liegt der Fokus auf Margarets Eigeninitiative, ihrer hart erstrittenen Emanzipation von ihrem stetig tyrannischer werdenden Mann, den lautstarken Einwänden von Gesellschaft, Kirche und sogar ihrem eigenen Sinn für Loyalität zum Trotz.
Das Malen grossäugiger Kinder ist die Leidenschaft von Margaret Keane (Amy Adams). Ihre Werke werden weltberühmt – allerdings nicht unter Margarets Namen. © Ascot Elite Entertainment Group |
Walter wäre ein ähnlich dreidimensionales – und damit lebendiges – Produkt wie Margaret, wenn Waltz sich in seiner Darbietung nicht allzu oft im Ton vergreifen würde. Mister Keane mag in erster Linie als raffinierter Plagiator und Tyrann inszeniert werden, doch in diversen Szenen wirkt er ebenso als letztlich tragische Figur, als gescheiterte Existenz – ein begabter Geschäftsmann, der um jeden Preis ein Künstler sein will und in seinem Wahn Andy Warhols "Factory"-Kunstkonzept als seine Erfindung beansprucht und den Kritiker John Canaday (Terence Stamp) ausgerechnet als frustrierten Möchtegern-Schöpfer von Kunst beschimpft. Diese Interpretation des Charakters ergibt sich aus dem guten, aber wohl eine Spur zu ausladend geratenen Drehbuch von Scott Alexander und Larry Karaszewski (das Duo hinter Ed Wood), dem Waltz leider nicht vollumfänglich gerecht wird. Ihm fehlt die nötige Tiefe, die geforderte Finesse, um Walter als glaubwürdigen Charmeur erscheinen zu lassen; sein Lachen ist nicht das eines geschickten Blenders, sondern das verstörend gequälte Zähnefletschen eines notorischen Scharlatans.
Margarets zweiter Ehemann Walter (Christoph Waltz) gründet mit Hilfe ihrer Bilder ein Merchandising-Imperium. Die Ehre beansprucht er für sich allein. © Ascot Elite Entertainment Group |
★★★★
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