Donnerstag, 9. Juli 2015

Minions

Diese Kritik erschien zuerst in gedruckter Form in der Wochenzeitung Heimat.

Das erste Solo-Kinoabenteuer der "Minions", der tollpatschigen, Kauderwelsch sprechenden Superschurken-Lakaien, die in Despicable Me die Herzen des Publikums eroberten, nutzt das Potenzial seiner gelben Helden zunächst optimal, bevor es an seiner eigenen Ambition zerbricht. Ein Film, zwei ungleiche Hälften.

Nicht jedes Format profitiert von einem klassischen Plot, jenem Grundpfeiler der Hollywood-Unterhaltung. Dort, wo hemmungslos Schabernack und Unfug getrieben wird, wirkt eine allzu umständlich eingebaute Geschichte oft wie ein Störfaktor – Monty Python and the Holy Grail wäre noch besser ohne seine "dramatischen" Elemente; die The Naked Gun-Reihe ist dann am lustigsten, wenn sie sich ungezwungen ganz dem sinnfreien Slapstick hingibt. Dass die Minions als Figuren auch in diese Kategorie eingeordnet werden können, zeichnete sich bereits während ihrer ersten beiden Auftritte – als Assistenten des bösen Protagonisten Gru (Stimme: Steve Carell) in Despicable Me (2010) und Despicable Me 2 (2013) – ab. Sie brabbeln eine nur halbwegs verständliche Fantasiesprache (mit wundervoller Variation gesprochen von Despicable Me- und Minions-Co-Regisseur Pierre Coffin), bestehend aus englischen, französischen und spanischen Satzfetzen, sorgen mit ihrer ebenso enthusiastischen wie ungeschickten Natur unentwegt für heilloses Chaos und in ihren actionfreien Momenten pflegen sie einen eher kindlich-simplen Humor.

Dieser Tatsache trägt Minions während seiner ersten 45 Minuten gebührend Rechnung. Eine Herkunftsgeschichte, unterlegt mit einem köstlichen Voiceover von Geoffrey Rush, zeigt die Evolution der trotteligen gelben Schergen, welche es sich seit Anbeginn der Zeit zur Aufgabe gemacht haben, den bösesten Kreaturen des Planeten zu dienen. Doch das Problem, wie der Erzähler es so schön formuliert, "was not finding a new master, but keeping one" – denn so mancher historische Schurke ist an der Hilfe der Minions zu Grunde gegangen. Entmutigt durch ihre Misserfolge, ziehen sich die Titelhelden in eine Eishöhle zurück, wo sie der Langeweile und der Antriebslosigkeit zum Opfer fallen – bis im Jahr 1968 die drei tapferen Minions Kevin, Stuart und Bob in die weite Welt hinaus ziehen, um einen neuen Meister für ihren Stamm zu finden.

Nach Jahren der Langeweile suchen die Minions Bob (links, gesprochen von Pierre Coffin), Kevin (Mitte, ebenfalls Pierre Coffin), und Stuart (Pierre Coffin zum Dritten) einen neuen Schurken, dem sie folgen können.
© Universal Pictures Switzerland
Bis zum Kulturschock, den das Trio in New York, Orlando und schliesslich London erleidet, bleibt der Film dem komödiantischen Potenzial seiner Protagonisten treu; die episodisch-lose Struktur der Handlung passt hervorragend zum gut funktionierenden Slapstick. Auch die Anspielungen auf die Sechzigerjahre-Kultur wissen zu gefallen, obgleich man sich doch fragen muss, welches Publikum die Regisseure Coffin und Kyle Balda hier im Auge hatten, wird doch wohl kaum ein Kind mit einem Witz über Richard Nixon etwas anfangen können. (Erschwerend hinzu kommen diverse Szenen, deren handfeste, ja direkt brutale Natur einen an der tiefen Altersbeschränkung des Films zweifeln lassen – zu Buche stehen ein gebrochenes Genick, ein eingeschlagener Yeti-Schädel und eine als Spielplatz gebrauchte Folterkammer, an deren Galgen die Minions besondere Freude zeigen.) Mit einem Funken akademischen Eifers könnte man in der optimitischen Amerikareise der Hauptfiguren gar eine Parabel auf die Hoffnungen mexikanischer Immigranten in die USA erkennen. Doch als Kevin, Stuart und Bob in Form von Scarlet Overkill (eine gut aufspielende Sandra Bullock) eine neue Gebieterin finden, verliert sich Minions in einem buchstäblich aufgeblähten Plot, wo der einfache Spass der ersten Hälfte einem halbgaren Durcheinander aus in die Länge gezogenen Verfolgungsjagden und der urplötzlich wichtig werdenden Artus-Sage weicht. Wo zunächst noch herzhaft gelacht werden konnte, stellt sich nach und nach ungläubiges Kopfschütteln ein. Schade, wäre doch den Minions mit anarchischer Plotlosigkeit am besten gedient gewesen.

★★★

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