Doch auch ausserhalb des ungewöhnlichen Universums von Me and Earl and the Dying Girl sind filmische Assoziationen im Überfluss vorhanden. Der Film, eine Adaption von Jesse Andrews' gleichnamigem Bestseller aus dem Jahr 2012 – inszeniert vom ehemaligen Scorsese- und Iñárritu-Assistenten Alfonso Gomez-Rejon, geschrieben von Andrews selbst –, reiht sich nahtlos ein in den amerikanischen Kanon halbunabhängiger Produktionen, die seit bald zehn Jahren das Publikum des Sundance-Festivals begeistern und den Independent-Ablegern der grossen Studios regelmässig ansehnliche Summen einbringen.
Die bittersüss-melancholische Geschichte um Gregs Freundschaft mit der an Leukämie erkrankten Schulkameradin Rachel (herausragend: Olivia Cooke) erinnert in ihrer Thematik an die Krebs-Dramödien 50/50 und The Fault in Our Stars. Für die liebevollen Karikaturen von High-School-Cliquen und -Sitten scheinen Filme wie Stephen Chboskys ausgezeichneter The Perks of Being a Wallflower oder Jordan Vogt-Roberts' unterschätzter The Kings of Summer Pate gestanden zu haben; derweil die stilistisch eigenwillige Umsetzung des Stoffs die Züge von (500) Days of Summer und bisweilen sogar von Scott Pilgrim vs. the World trägt. In den vereinzelten Stop-Motion-Sequenzen, die Gomez-Rejon geschickt einbaut, sowie in den den Streifen von Greg und Earl wiederum klingt Garth Jennings' Son of Rambow – zwar eine britische Produktion, doch ebenfalls ein Sundance-Beitrag – an.
Die High-School-Aussenseiter Greg (Thomas Mann, rechts) und Earl (RJ Cyler) widmen ihre Freizeit dem Dreh von Amateur-Filmen. © 2015 Twentieth Century Fox Film Corporation |
Mit einem makellos aufspielenden Cast – zu den Nebendarsteller-Höhepunkten gehören Jon Bernthal als tätowierter Geschichtslehrer sowie ein Voiceover-Cameo von Hugh Jackman – wird hier ein berührendes Märchen über jugendliche Identitätssuche und Zukunftsangst erzählt. Und obwohl der Tonfall, der im dritten Akt teilweise angeschlagen wird, möglicherweise ein wenig zu ernst ausfällt, verwehren sich Gomez-Rejon und Andrews letztendlich erfolgreich dem sentimental-moralisierenden Potenzial des Krebs-Narrativs, indem sie dem Film, allen tragischen Elementen zum Trotz, durchgehend als menschliche Komödie verstehen. Trockener, oft leicht absurder Witz ist die Grundierung, auf der die vielschichtigen Emotionen aufbauen.
Filme wie The Kings of Summer, 50/50, The Perks of Being a Wallflower oder eben Me and Earl and the Dying Girl machen es einem mit ihren sympathischen Figuren und ihrer lockeren Umgangsform zugegebenermassen einfach, sich für sie zu begeistern. Doch gerade wenn diese Bekömmlichkeit von einer solch beachtlichen Regieleistung, wie sie Alfonso Gomez-Rejon hier abliefert, sowie einem straffen Skript untermauert wird, zeigt sich das unterschwellige Genie des studiodominierten amerikanischen "Independent"-Kinos.
★★★★
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