Er sollte Recht behalten. Seine Dokumentation über eine Saison im Leben einer Amateur-Rugby-Mannschaft im ruralen Norden Neuseelands geht weit über die begrenzten Erzählstrukturen herkömmlicher Sport-Porträts hinaus. Anders als etwa im oscarprämierten Undefeated (2011) bilden taktische Details, motivationsfördernde Massnahmen und Statistiken über Siege und Niederlagen lediglich den Hintergrund für tiefer greifende Themen: Identität, Vorstellungen von Männlichkeit und das Meistern des Alltags am grünen Rand der Welt.
Der wie Nicolas Steiners Kampf der Königinnen in hoch aufgelöstem, stimmigem, aussergewöhnlich schönem Schwarzweiss fotografierte Film zeigt den Versuch des eingeschworenen Rugby-Teams aus Reporoa, nach einer verkorksten Spielzeit das Ruder herumzureissen und aus der darauf folgenden Saison ungeschlagen hervorzugehen.
Gross ist die Welt der Spieler nicht. Drei Autostunden trennen die verschlafene Kleinstadt Reporoa von der Metropole Auckland; die Hauptstadt Wellington liegt deren fünf entfernt. Dienstags trifft man sich selbst bei dichtestem Nebel um halb sieben Uhr abends zum Training auf dem lokalen Sportplatz; bisweilen finden Einheiten für Kinder statt; samstags kommt ein gegnerisches Team zu Besuch, oder die Mannschaft setzt sich in den klubeigenen Bus und begibt sich zu einem Auswärtsspiel. Ansonsten besteht die Welt von Broomy, Kelvin, Peanut und wie sie alle heissen aus Feldern, Kühen und Melkmaschinen; für so etwas wie Exotik sorgen Bekannte aus Wellington und Austauschschüler aus England.
Viehzucht gehört im ländlichen Neuseeland zum Alltag. © Deer Heart Films |
Obwohl der Film eine klare Trennlinie zwischen der Seriosität von Viehzucht und Familienleben – so kümmert sich etwa der allein erziehende Kelvin hingebungsvoll um seine siebenjährigen Zwillinge – und dem ausgelassenen Machismo des Rugbys zieht, behält er es sich vor, über irgendeinen Aspekt dieser Existenz ein Urteil abzugeben. Vielmehr ist The Ground We Won auf seine Weise ein anregendes, emotional kraftvolles Plädoyer für den universellen Wert des Sports – in Reporoa ist Rugby Unterhaltungsform, Völkerverständigung und Selbstverwirklichung zugleich.
Die Herausforderungen, die ein Leben in dieser archaisch-simplen Männergesellschaft – Frauen spielen im vom Film gewählten Milieu allenfalls eine marginale Rolle – mit sich bringt, werden von Pryor ebenfalls mit bewundernswerter Einfachheit ausgeleuchtet. Wer sich auf dem Rugby-Feld nicht beweisen kann, sucht das Heil in einer anderen klassischen Männerdomäne: In einem behutsam aufgebauten Handelsstrang bereitet sich der junge Peanut auf einen Benefiz-Boxkampf vor.
Wer etwas auf sich hält, spielt Rugby. © Deer Heart Films |
Wie die besten Dokumentarfilme erzählt auch The Ground We Won eine nicht hermetisch geschlossene Geschichte, die seinem Publikum Fragen und Gedanken nicht nur auftischt, sondern ihm die Antworten dazu gleich vordiktiert. Obwohl sich Christopher Pryor in Sachen Kunstgriffe stellenweise womöglich etwas übermotiviert verhält, beweist er einen scharfen Sinn fürs Detail und erweist sich als vielversprechende Stimme im Non-Fiction-Kino der Frederick-Wiseman-Schule.
★★★★
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