Es ist wieder einmal so weit: Terrence Malick, der zurückgezogen lebende Grossmeister des amerikanischen Kunstfilms, veröffentlicht sein neues Opus – sein drittes in vier Jahren, das zweite seitdem der mehrfach oscarnominierte Palme-d'or-Gewinner
The Tree of Life (2011) Malicks Karriere neuen Schub verlieh.
Die Themen, die den Wahltexaner umtreiben, sind hinlänglich bekannt: die wohlhabende US-Mittel- und -Oberschicht, ihr spiritueller und emotionaler Bankrott, die Sinnleere und Künstlichkeit des Abendlandes. Ebenso die Art der Vermittlung: tranceartige Sequenzen, in denen die Kamera federleicht durch den Raum zu gleiten scheint und dabei Gesprächsfetzen registriert, deren wahrer Sinn erst durch geraunte Kommentare aus dem Off ersichtlich wird, und durchsetzt mit literarischen Zitaten, philosophischen Gedanken und dem Anrufen einer höheren Macht; hinzugefügt werden in regelmässigen Abständen träumerische Naturaufnahmen.
Viele finden diesen Stil genial, die Themen, die der Film anstösst und behandelt, das Tiefgründigste, was sich im internationalen Gegenwartskino finden lässt. Und man muss es Malick lassen: Er ist ein begnadeter Stilist, ein Konzept-Filmemacher von visionärem Format. Reguläres Drehmaterial in solch transzendentale Traumwanderungen zu verwandeln, in denen sich Bild, diegetische Geräusche, Voiceover und Musik derart komplementieren, ist weder einfach noch einfallslos. Er zeigt keinerlei Hemmungen, die Hollywood-Stars, die sich inzwischen um Rollen in seinen Projekten regelrecht zu reissen scheinen, kompromisslos aus dem vollendeten Produkt herauszuschneiden, wenn ihre Präsenz nichts zum Werk beiträgt. (Die Darbietungen von Barry Pepper, Michael Sheen, Rachel Weisz und Jessica Chastain im 2012 erschienenen
To the Wonder fielen allesamt unter den Tisch.) Die Aufnahmen – in
Knight of Cups, wie schon in
The New World (2005),
The Tree of Life und
To the Wonder, von Emmanuel Lubezki (
Gravity,
Birdman) eingefangen – sind Mal für Mal von atemberaubender Schönheit.
Entsprechend ist auch
Knight of Cups unbestreitbar ein besonderes Erlebnis. Weniger noch als
The Tree of Life,
The Thin Red Line (1998),
Days of Heaven (1978) oder
Badlands (1973) ist er an eine lineare Handlung gebunden. Wie der Schlussakt von
The Tree of Life zeigt er einen schwermütigen Mann (Christian Bale), der durch eine ihm fremd gewordene Welt aus Glas und Neonlicht streift, abgekapselt vom ihm umgebenden Leben. Sein Name ist Rick, er ist ein erfolgreicher Comedy-Autor in Hollywood, und die Beziehungen in seinem Leben gehen ausnahmslos in die Brüche: Seine Frau (Cate Blanchett) trennt sich von ihm, seine Liebschaften (Freida Pinto, Imogen Poots, Teresa Palmer) beginnen ihn rasch zu langweilen, seine neue Liebe (Natalie Portman) will sich nicht scheiden lassen, Vater (Brian Dennehy) und Bruder (Wes Bentley) haben den Selbstmord seines zweiten Bruders noch immer nicht verarbeitet.
|
Der erfolgreiche Hollywood-Autor Rick (Christian Bale) steckt in einer tiefen Sinnkrise.
© Ascot Elite Entertainment Group |
Malicks regiemässige und visuelle Konzeptions-Leistung in
Knight of Cups ist unbestritten brillant. Er lässt Lubezki mit einer kleinen GoPro-Kamera experimentieren, lässt ihn tragikomische Unterwasser-Aufnahmen von Hunden einfangen; mal lässt er ihn einen Blick auf die untergehende Sonne erhaschen, was den Vordergrund in wunderschönes goldenes Licht taucht. Die langen Einstellungen, in denen die Kamera Ricks gedankenversunkenen Spaziergängen über Strände, durch Korridore, Strassenschluchten und Filmset-Strassen folgt, sind von einer berückenden Ästhetik.
Die "Geschichte", die sich abspielt, wird weniger erzählt als dass sie ins Fassungsvermögen des Zuschauers sickert. Es sind nicht die einzelnen Einstellungen und Szenen, die einem einen Sinn fürs Ganze vermitteln; es ist ihre Gesamtheit. Im Vergleich zu
The Tree of Life wirkt das beinahe stimmig;
Knight of Cups ist ein stilistisch geschlossenerer Film, der Hang zur radikalen Abstraktion mehr grundlegender Modus als hinzu gedichtetes Stilmittel.
Doch Malick bleibt Malick – und frustrierend bleibt frustrierend. Denn so schön sein neuer Film auch anzusehen ist, so sehr man die künstlerische Dringlichkeit hinter dieser Weltschmerz-Trance auch spürt – ein handfester Sinn ist daraus kaum herauszulesen. Ben Kingsley rezitiert eingangs aus John Bunyans
Pilgrim's Progress; ein Priester (Armin Mueller-Stahl) belehrt Rick, dass das Leid, das Gott einem auferlegt, ein Geschenk der Liebe sei; jede bedeutungsschwangere Sekunde von
Knight of Cups beruht auf dem ethisch-emotionalen Ruin seines Protagonisten, welcher wohl stellvertretend für die Menschheit der westlichen Wohlstandsgesellschaften stehen soll.
|
Um das spirituelle Loch in seinem Leben zu füllen, sucht Rick Trost in flüchtigen Liebschaften, wie etwa mit der verheirateten Elizabeth (Natalie Portman).
© Ascot Elite Entertainment Group |
Nur: Es ist nicht möglich, etwas für diese Figur zu empfinden – geschweige denn, sich in ihr wieder zu erkennen –, wenn man sie nur durch vage Voiceover und gemurmelte Kürzest-Dialoge kennt. Des Mannes angedeutete Krise wirkt angesichts seines offenkundigen Reichtums und seines melancholisch-gelangweilten Gesichtsausdrucks wie Selbstmitleid auf hohem Niveau – woran auch die vereinzelten Momente, in denen Malick die Kamera auf Obdachlose richtet, letztlich nichts ändern.
Knight of Cups mag Filmästhetik in Reinform sein, doch fehlen ihm zu wahrer Grösse die Bezugspunkte, das Gefühl, dass die verträumten Ruminationen der Figuren einen höheren Sinn ergeben. Oft wirken diese – obwohl man es natürlich besser weiss – willkürlich aneinander gereiht, ihre Verschwommenheit soll wohl den Schein von elementarer Tiefgründigkeit aufrecht erhalten. Und daran scheitert schlussendlich auch dieser Film: Was Malick hier kultiviert, ist nichts anderes als eine hübsch verpackte Leere, ein Nichts, das nach philosophischer Grösse strebt. Alles ist Schein, nichts ist Sein.
★★