Dieser für Schweizer Verhältnisse durchaus provokanten Frage – sowohl die eidgenössische Direktdemokratie als auch der abstimmende Souverän gelten im öffentlichen Diskurs als heilige Kühe, so der interviewte Völkerrechts-Professor Oliver Diggelmann – geht Islers Film vor dem Hintergrund von Minarettverbot, Ausschaffungs- und Masseneinwanderungsinitiativen nach. Auf den stereotyp-helvetischen Deckmantel der Neutralität verzichtet er bewusst: Schon in der Einleitung gibt Isler zu, sich an Wahlsonntagen "meistens auf der Seite der Verlierer" zu befinden; die erste Szene der Dokumentation kontrastiert die triumphale Einreichung der völkerrechtlich problematischen SVP-Durchsetzungsinitiative mit dem Grünen Jo Lang, der in Bern, scheinbar erfolglos, Unterschriften gegen neue Kampfflugzeuge sammelt.
Um dem Vorwurf der Indoktrination zuvorzukommen, bemüht sich der Film, wie etwa Ken Loachs The Spirit of '45, seinen linken Standpunkt so überzeugend wie möglich darzustellen – was ihm auch mühelos gelingt. Nur in vereinzelten Momenten muss Isler zum journalistisch zweifelhaften leitenden Schnitt greifen; ansonsten präsentiert sich Die Demokratie ist los! – dank anschaulicher, mit Ausnahme der Minarettinitiative eingehend besprochener Fallbeispiele und eines breiten Angebots an autoritativen Interview-Gästen – als überaus fundierte Diskussion einer über 100-jährigen Schweizer Tradition, die in den vergangenen Jahren auf Grund von Entscheidungen, die nach internationalem Recht nicht vorbehaltlos umsetzbar sind, wiederholt für negative Schlagzeilen gesorgt hat.
Aus den angesammelten Expertenmeinungen leitet der Film, ohne unbegründete Mutmassungen, das definitiv plausible Narrativ ab, dass aus der Schweizer Volksinitiative im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte unter dem Einfluss der "neuen Rechten" – darf man eigentlich schon von "Blocherismus" sprechen? – eine Politikerinitiative geworden ist. Diente sie einst dem Volk als ureigene Garantie der Gewaltenteilung, ist sie mittlerweile zum politischen Instrument von Parteien und Politikern geworden, die so ihre Programme ins Gewand des Volkswillens kleiden können.
...haben die Linken bei der Mobilisierung des Volkes einen eher schweren Stand. © cineworx |
Hier wird nicht gegen das Schweizer System Polemik betrieben. Im Gegenteil: Mit seinem "linken", hoffnungsvoll-idealistischen Schluss kann der Film auch als Verneigung vor der dem Ganzen zu Grunde liegenden Idee gelesen werden. Worauf Die Demokratie ist los! schlussendlich hinaus will – und was ihn letztlich auch besser macht als der vergleichbare, aber weniger tief greifende Mais im Bundeshuus –, ist, dass Kritik an etablierten nationalen Strukturen nicht einem Landesverrat gleich kommt, dass eben diese Strukturen kontinuierlich vernunftgesteuerter, kritischer Auseinandersetzungen unterzogen werden müssen, um ihre Legitimität sicherzustellen. Chauvinismus, Tradition und patriotische Rhetorik allein sind keine Basis für eine erfolgreiche, demokratische Zukunft.
★★★★
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