Die Kehrseite des Ganzen ist die Gefahr, Millionen von Menschen, die mit der Geschichte des kleinen Prinzen vom Asteroiden B-612 aufgewachsen und vertraut sind, zu enttäuschen. Dutzende von Adaptionen auf Papier, Zelluloid, Bühne und Tonträger sind Osbornes Animationsfilm vorausgegangen; es gilt, der Erzählung aus einem neuen Blickwinkel zu begegnen, ohne sich dabei zu sehr über Sinn und Geist Saint-Exupérys hinwegzusetzen.
Mit Ausnahme eines dritten Akts, der die magische Subtilität von Le petit prince in einen banalen physischen Kampf zwischen Protagonisten und Antagonisten übersetzt, gelingt dies Osborne und den Drehbuchautoren Irena Brignull und Bob Persichetti recht gut. Der kleine Prinz (gesprochen von Riley Osborne) und seine Begegnung mit dem in der Sahara notgelandeten Piloten (Jeff Bridges) werden in eine kontemporäre Handlung integriert, in deren Zentrum ein Schulmädchen (Mackenzie Foy) steht.
Dieses lebt in einer Welt, die wie ein Traum des Sterne zählenden Geschäftsmannes wirkt, dem der Prinz auf seiner Reise von Asteroid zu Asteroid begegnet (und der hier von Albert Brooks mit der gebührenden ernsthaften Monotonie gesprochen wird): Zahlen bestimmen das tägliche Leben; den Kindern wird ein Lebensplan aufgezwungen, der sie zu "essenziellen" Mitgliedern der Gesellschaft formen soll. Das Mädchen lebt mit seiner arbeitswütigen Mutter (Rachel McAdams) in einem kantig-symmetrischen Haus in einer retortenhaften Vorstadt; die Sommerferien verbringt es damit, für seine neue Schule wirtschaftlich relevante Formeln zu lernen.
In einer allzu ernsthaften Welt freundet sich ein Mädchen (Stimme: Mackenzie Foy) mit einem ehemaligen Piloten (Jeff Bridges) an. © Impuls Pictures AG |
Gewisse Botschaften aus Saint-Exupérys Buch wendet The Little Prince äusserst gekonnt auf das gegenwärtige soziale Klima an. Die grassierende Obsession auf Wirtschaftslehre und Algebra, die in der Welt der Protagonistin herrscht, erinnert unverkennbar an den zunehmend schweren Stand, den die "nicht rentablen" Künste und Geisteswissenschaften gerade in Europa derzeit haben. Weder die Liebe zur Ästhetik noch der bewundernde Blick zum Sternenhimmel – beides Ausdrucksformen der von Saint-Exupérys so hervorgehobenen neugierigen Fantasie – mögen wirtschaftlich relevant sein, doch kommen sie dem "Wesentlichen", dem Kern der menschlichen Existenz, um ein Vielfaches näher als die Frage, wie eine Aktion das Bruttoinlandprodukt beeinflusst.
Osborne, Brignull und Persichetti sind hier einer ebenso löblichen wie stimmigen Moral auf der Spur, doch strapazieren sie diese während der 110 Minuten Laufzeit des Films übermässig. Ihre Überspitzung hat nicht die kindliche Eleganz von Saint-Exupérys Original; die Entscheidung, in der letzten halben Stunde die allegorische Dimension der Petit prince-Geschichte hinter sich zu lassen, entzieht dem Ganzen ein Stück seiner grundlegenden Magie.
Der Pilot erzählt ihr die Geschichte vom kleinen Prinzen (Riley Osborne) und seiner Reise, auf der er unter anderen einen Fuchs (James Franco) kennen lernt. © Impuls Pictures AG |
Trotz seines eher missglückten Endes hat Osborne mit The Little Prince eine würdige Interpretation von Le petit prince geschaffen, die diverse bekannte Figuren, auch mit Hilfe herausragender Sprecher (Jeff Bridges, Ricky Gervais als der Eitle, Bud Cort als König, James Franco als Fuchs), zu einnehmendem Leinwandleben erweckt. Saint-Exupérys Genie blitzt zumindest sporadisch auf.
★★★
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