Aus diesen und jenen Gründen ist in den letzten Monaten das Rezensieren auf Facing the Bitter Truth etwas zu kurz gekommen. Dem soll mit Einführung der "Kritik in Kürze"-Reihe entgegen gewirkt werden: Ältere Kinostarts, bei denen es nicht für eine ausführliche Besprechung gereicht hat, erhalten so doch noch einen Text zugesprochen, wodurch gewisse Sidebar-Bewertungen vielleicht eher nachvollziehbar werden.
The Assassin (刺客聶隱娘, Cìkè Niè Yǐnniáng) – ★★★
Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Gewinner des Cannes-Regiepreises 2015 zu den ästhetisch beeindruckendsten Filmen des Jahres gehört. In minutiös komponierten, farbdramaturgisch grandiosen Tableaux erzählen der taiwanische Filmemacher Hou Hsiao-Hsien und sein Kameramann Mark Lee Ping Bin eine Wuxia-Geschichte aus dem achten Jahrhundert, vor dem Hintergrund des Niedergangs der chinesischen Tang-Dynastie: Im Auftrag der Nonne Jiaxin (Fang Yi-Sheu) ermordet Niè Yǐnniáng (Shu Qi) korrupte Regierungsbeamte. Doch als sie eines ihrer Ziele verschont, bestraft Jiaxin sie mit einem grausamen Auftrag: Yǐnniáng muss den Gouverneur Tian Ji'an (Chang Chen) töten, ihren Cousin, mit dem sie einst verlobt war.
Die grossen Emotionen, die dieser Handlung inne liegen, lässt Hou nur sehr spärlich an die Oberfläche kommen. Einzig in den kurzen, ausnahmslos atemberaubend inszenierten Kampfszenen öffnen sich Risse in der ruhigen, streng kodierten Ordnung des imperialen China. Ansonsten lebt der Film seine Interpretation des historischen Schauplatzes: Dialoge, Blickwechsel, Entscheidungen – alles spielt sich wie hinter einem Seidenvorhang ab; die Atmosphäre ist kalt, die Bewegungen ohne Schwert gedämpft und gemessen. Man möchte, allein schon aufgrund der berückenden Bilder, eintauchen in diese Welt, die sich jedoch vehement gegen derartige Grenzüberschreitungen zu wehren scheint. The Assassin ist nicht zuletzt ein Film über rigide soziale Barrieren – Barrieren, die er beinahe allzu erfolgreich wiederzugeben vermag.
Batman v Superman: Dawn of Justice – ★★
Viel wurde geschrieben über den zweiten Eintrag ins "DCEU", die Antwort von DC und Warner Bros. auf Disneys "Marvel Cinematic Universe", in dem Iron Man, Captain America und Co. seit bald zehn Jahren Superschurken jagen und Einspielrekorde feiern. Über Ben Affleck wurde im Vorfeld geschimpft, den neuen Batman, der in die Fussstapfen von Christian Bale treten soll. Über Drehbuchautor David S. Goyer, der Comicfans gerne als einsame Nerds beschimpft, und über Regisseur Zack Snyder, der gerne damit prahlt, die "düstersten" Comicverfilmungen anzubieten. Und seit Batman v Superman im Frühling angelaufen ist, herrscht im Internet buchstäblich Krieg zwischen denen, die darin ein unzumutbares Machwerk sehen, und denen, die Snyders (bislang) ambitioniertestes Projekt mit Christopher Nolans Batman-Meisterwerk The Dark Knight vergleichen.
Nun ja. Man kann argumentieren, dass Batman v Superman nach Snyders Superman-Reboot Man of Steel einen Schritt nach vorne darstellt. Anders als sein Vorgänger läuft dieser Film wenigstens nie Gefahr, in einem endlosen, über weite Strecken unverständlichen Action-Morast zu versinken. Diese "Ehre" bleibt hier der Handlung überlassen, die Superman (Henry Cavill) auf einen hoffnungslos verwinkelten Feldzug gegen seinen Erzfeind Lex Luthor (ein schrecklicher Jesse Eisenberg) schickt; derweil Batman (Affleck – der schauspielerische Höhepunkt) anderen DC-Superhelden auf der Spur ist.
Snyder liefert ein heilloses Durcheinander aus Handlungssträngen, Charakteren und Perspektiven, in dem zwar alles erwähnt, aber eben nichts wirklich vertieft wird. Henry Cavill zeigt noch weniger Profil als in Man of Steel – und auch seine Chemie mit Amy Adams' Lois Lane ist, gelinde gesagt, ausbaufähig –, was die ihm auferlegte Jesus-Symbolik noch lächerlicher wirken lässt. Wonder Woman (Gal Gadot) bleibt – obschon sie für einige Minuten begeisternder Action sorgt und den beiden Titelhelden quasi die Show stiehlt – ein viel zu spät eingeführter Gimmick. Und das vielleicht sprechendste Versagen eines zweieinhalbstündigen Films, der sich Batman v Superman nennt: Der Titel gebende Kampf, dessen Beilegung wohl bald schon einen ähnlich zweifelhaften Kult erlangen wird wie Arnold Schwarzeneggers Schnee-Wortspiele in Batman & Robin, dauert keine zehn Minuten.
Belgica – ★★★
Vier Jahre nach dem oscarnominierten The Broken Circle Breakdown, einem der bislang besten Musikfilme der 2010er Jahre, wagt Felix Van Groeningen sein Folgewerk – und auch das erzählt eine Familiengeschichte im Zeichen der Musik. Die Brüder Jo (Stef Aerts) und Frank (Tom Vermeir) verwandeln ein Café in Gent in ein Konzertlokal, was dem älteren Frank auf Dauer jedoch gar nicht bekommt: Er vernachlässigt Frau und Kind und entdeckt seine jugendliche Begeisterung für Alkohol und Drogen wieder – während Jo darum kämpft, den Club finanziell und legal über Wasser zu halten.
Auch in Belgica legt Van Groeningen sein beträchtliches Talent für raues, direktes Kino – irgendwo zwischen Dogme 95 und The Wolf of Wall Street – an den Tag, wobei sich dies hier vor allem an der Inszenierung festmachen lässt. Während sich die diversen Konzerteinlagen, allen voran die durch die Menge ziehende Akkordeon-Combo – womöglich eine diskrete Anspielung auf den Entr'acte von Leos Carax' Holy Motors –, ins Gedächtnis einbrennen, greifen hier die melodramatischen Aspekte weniger gut als noch in The Broken Circle Breakdown. Die Handlung speist sich nicht aus der Musik; es fehlt das stringente Konzept. Man erlebt etwas in Belgica, keine Frage; doch wirklich unter die Haut geht der Film wenig.
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