Dienstag, 31. Januar 2017

Elle

© Frenetic Films

★★★

"Das ist zwar durchaus spannend, hinterlässt aber – Huppert ausgenommen – längerfristig nur bedingt einen Eindruck. Darüber hinaus muss man sich auch fragen, was für Zeichen ein Film aussendet, dessen Konzeption einer 'starken Frau' das gelassene Ignorieren von Vergewaltigung ist. Es steht jedoch ausser Frage, dass Elle ein Film ist, über den es sich zu diskutieren lohnt."

Ganze Kritik auf Maximum Cinema (online einsehbar).

Montag, 30. Januar 2017

"Liebe Schweizer Verleiher..." – Teil 2


"Liebe Schweizer Verleiher..." macht auf Filme aufmerksam, die laut filmdistrubution.ch hierzulande noch keinen Verleiher gefunden haben und die es – meiner Meinung nach – verdienen würden, auf Schweizer Leinwänden gezeigt zu werden. An die Arbeit, Schweizer Verleiher!

Teil 1 



Certain Women
  • Regie: Kelly Reichardt (Meek's Cutoff)
  • Mit: Laura Dern, Kristen Stewart, Michelle Williams, Lily Gladstone, Jared Harris
  • Hauptpreis beim London Film Festival; Hauptkategorie-Nominationen bei den Independent Spirit Awards; Platz 4 auf der Sight & Sound-Jahresbestenliste; Platz 12 auf der Indiewire-Jahresbestenliste
Auch gewissen amerikanischen Filmemachern scheint es partout nicht zu gelingen, die Schweizer Verleiher für ihr Schaffen einzunehmen. Wie der Südkoreaner Hong Sang-soo (siehe Teil 1) ist auch Kelly Reichardt dem hiesigen Kino bis dato völlig unbekannt geblieben – trotz hoch gelobter, preisgekrönter und sogar starbesetzter Filme wie Old Joy (2006), Wendy and Lucy (2008), Meek's Cutoff (2010) und Night Moves (2013).

Die Chance, diese bedauerliche Serie zu beenden, bietet sich nun mit Certain Women, Reichardts Adaption von vier Erzählungen aus Maile Meloys Kurzgeschichtensammlung Both Ways Is the Only Way I Want It. (Musikfreunde dürften Meloys jüngeren Bruder Colin, Frontmann der Decemberists, kennen.) In den sich überschneidenden Handlungssträngen setzen sich Stars wie Laura Dern, Michelle Williams und Kristen Stewart sowie die aufstrebende indigene Schauspielerin Lily Gladstone mit dem Leben im modernen ländlichen Amerika auseinander.

Abgesehen davon, dass Regisseurinnen in der Industrie eklatant unterrepräsentiert sind und im internationalen Vertrieb dadurch per se benachteiligt werden – was nach bewussteren Verleih-Entscheidungen schreit –, ist es an der Zeit, dass die Schweiz mit dem Werk "der ruhigsten grossen US-Filmemacherin" (Guy Lodge, Variety) vertraut gemacht wird. Certain Women stünde bereit.



Hunt for the Wilderpeople
  • Regie: Taika Waititi (Flight of the Conchords, What We Do in the Shadows, Thor: Ragnarok)
  • Mit: Sam Neill, Julian Dennison, Rima Te Wiata, Rachel House, Rhys Darby
  • Der erfolgreichste ausschliesslich neuseeländisch produzierte Film aller Zeiten
Während für viele Filme in dieser Reihe Erklärungen gefunden werden können, weshalb sie es nicht auf die Liste eines Schweizer Verleihers geschafft haben, ist das bisherige Ignorieren von Hunt for the Wilderpeople schlicht nicht nachvollziehbar. Zum einen schreit praktisch alles an dieser berührenden Abenteuerkomödie um einen schwer erziehbaren Jungen (Julian Dennison – eine grosse Entdeckung), der mit seinem knorrigen Adoptivonkel (Jurassic Park-Star Sam Neill) in der neuseeländischen Wildnis zu überleben versucht, nach skurrilem Publikumsliebling.

Zum anderen ist Regisseur Taikia Waititi auch hierzulande kein unbeschriebenes Blatt. Nicht nur wird sein Blockbuster-Debüt, die Marvel-Produktion Thor: Ragnarok, im kommenden Oktober die Multiplexe füllen; sein letzter Film, die Vampir-Mockumentary What We Do in the Shadows, begeisterte im Januar 2015 während eines begrenzten Laufs ein nicht unerhebliches Publikum (mehr als 4'700 Zuschauer).

Mehr muss hier nicht gesagt werden. Mit viel Herz und Humor erzählt Hunt for the Wilderpeople von einer epischen Verfolgungsjagd durch den Busch, während der das Publikum mit einer breiten Palette wunderbarer Figuren bekannt gemacht wird – vom menschlichen Busch bis zum Priester der verunglückten Todesmetaphern. Ein neuseeländischer Hit – ich bitte Sie!



Southside with You
  • Regie: Richard Tanne
  • Mit: Parker Sawyers, Tika Sumpter, Vanessa Bell Calloway, Phillip Edward Van Lear
  • Nominiert für den Sundance-Jurypreis
Zugegeben, der Trophäenschrank dieser kleinen, kritisch gelobten Indie-Romanze ist nicht gross, doch das Thema dürfte auch in der Schweiz empfängliche Zuschauer finden. Southside with You handelt nämlich vom ersten Rendezvous von Barack Obama (Parker Sawyers) und der späteren First Lady Michelle Robinson (Tika Sumpter).

Einen US-Präsidenten in einem derart privaten, vordergründig unpolitischen Rahmen filmisch repräsentiert zu sehen, ist zwar keine Hollywood-Neuheit – man denke an John Fords Young Mr. Lincoln (1939) –, aber eben auch keine alltägliche Erscheinung. Zweifellos inspiriert von Richard Linklaters Before-Filmen, begleitet Regie-Debütant Richard Tanne das künftige Präsidentenpaar auf einem Spaziergang durch die Southside von Chicago im kulturell und politisch hochgradig bedeutsamen Jahr 1989. Ein bisschen Obama-Nostalgie würde wohl in der Ära Trump auch in der Schweiz nicht auf taube Ohren fallen.

Sonntag, 29. Januar 2017

Personal Shopper

Der Psychothriller Personal Shopper ist einer jener Filme, bei denen es sich lohnt, sich ohne jedes Vorwissen vor die Leinwand zu setzen. So dürfte sich der seltsame Genre-Hybrid, den Regisseur Olivier Assayas hier zu konstruieren versucht, am besten entfalten – woraufhin sich eine Zweitvisionierung nachgerade aufdrängt. Wer an diesem Effekt interessiert ist, sollte am besten jetzt damit aufhören, die vorliegende Rezension zu lesen.

Es ist ein faszinierendes Erlebnis, sich blind in diesen Film hinein zu tasten – zu rätseln, wen Maureen (die grandiose Kristen Stewart) in der ersten Szene meint, wenn sie in einem alten französischen Landsitz eine Person vermutet und die nächtliche Finsternis mit einem hoffnungsvollen "Lewis?" anspricht. Sucht sie einen Vermissten? Erahnt sie die Präsenz eines bekannten Eindringlings? Das unheimlich knarrende Parkett weckt Erinnerungen an vergleichbare Spannungsmomente in Elle. Schliesslich verstreichen die Anfangsminuten aber ohne grössere Vorkommnisse; ausser Maureen bewegt sich im dunklen Anwesen einzig ein flackernder Lichtschein im Hintergrund, der auch eine Spiegelung oder eine optische Täuschung sein könnte.

Dass Assayas in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichnet wurde, rechtfertigt er bereits in dieser Einführung. Es ist einer der besten Filmanfänge der letzten Jahre, ein eindringliches Musterbeispiel für effektive Publikumslenkung – mysteriös, atmosphärisch, nervenaufreibend. Wer sich Personal Shopper ein zweites Mal ansieht, wird unweigerlich auf jedes noch so kleine Detail achten wollen.

Denn die darauf folgende Sequenz löst auf fast schon irritierend nüchterne Art auf, was man eigentlich hätte ahnen können – wäre man nicht durch das Wissen geblendet gewesen, dass Olivier Assayas, der kreative Kopf hinter Werken wie L'heure d'été (2008) oder Clouds of Sils Maria (2014), Arthouse-Filme macht. Maureen betritt ein belebtes Pariser Café und wird von Bekannten gefragt, wie die Nacht denn gelaufen sei. Sie habe etwas gespürt, sagt Maureen emotionslos. Doch es habe nicht gereicht, um Kontakt herzustellen. Maureen ist ein Medium, Lewis der Geist ihres kürzlich verstorbenen Zwillingsbruders.

Maureen (Kristen Stewart) ist ein Geistermedium bei Nacht...
© filmcoopi
Im Lauf der folgenden 100 Minuten wird Maureen tatsächlich auf Geister treffen, doch einen Horrorfilm als solchen hat Assayas dennoch nicht gemacht. Personal Shopper ist ein Versuch, einem klassischen frankophonen Drama – welches selbst ein Doppelleben als Celebrity-Satire im Stile von David Cronenbergs Maps to the Stars (2014) führt – übernatürliche Elemente einzuflössen. Das Resultat sind abrupte Tonfallwechsel, nicht immer ganz stimmig dargestellte Überschneidungen von Astralwelt und Wirklichkeit – dem letzten Akt hätte durchaus mehr Zeit eingeräumt werden dürfen – und eine hinterhältige Meditation über Schein und Sein der Hautevolee.

Das ist dermassen stilsicher und spannend inszeniert, dass man dem Film seine inhaltliche und dramaturgische Fragmentiertheit nicht nur verzeiht, sondern davon überzeugt ist, dass diese Disharmonie Assayas' Intention ist. Ein wiederkehrendes Motiv in Personal Shopper ist die Vielschichtigkeit der digitalen Welt: Maureens Skype-Gespräche mit ihrem Freund, der in Oman arbeitet, ihr beunruhigender SMS-Austausch mit einer unterdrückten Nummer, ihre ausgedehnte YouTube-Recherche, um mehr über eine schwedische Künstlerin und Victor Hugos esoterische Experimente zu erfahren. Gesellschaftskritik ist das nicht – vielmehr eine subtile Anspielung darauf, dass die Menschheit, nach jahrhundertelanger Suche nach parallelen Welten, selber eine erschaffen hat.

...und eine professionelle Shopperin bei Tag.
© filmcoopi
Ein genau definiertes Ziel – geschweige denn eine erkennbare argumentative Stossrichtung – hat dieser Ansatz nicht. Es scheint Assayas' Plan zu sein, mit seiner Erzählung Gedanken und Assoziationen anzustossen, die selber nur wenig Verbindung zu den Ereignissen auf der Leinwand haben.

Auch der satirische Aspekt des Films deutet darauf hin: Maureen arbeitet als "personal shopper" für eine unklar umrissene Berühmtheit (Nora von Waldstätten), die sie kreuz und quer durch Paris und sogar nach London schickt, um sich um ihre Garderobe zu kümmern. Die oberflächliche Distanziertheit dieser Beziehung, kontrastiert mit Maureens digitaler und spiritueller Vernetztheit, ist eine der wenigen handfesten Seitenhiebe, die sich Assayas gegen die Welt der Stars und Sternchen erlaubt – ansonsten bleibt auch hier die Interpretation letztlich dem Publikum überlassen. Unterstrichen wird dies durch die rabiate, erschreckende, brillant inszenierte Art, mit der der Horror von Personal Shopper die erzählerische Barriere in die Modewelt hinein überwindet.

Assayas hat keinen einfachen Film gedreht. Er fordert heraus, er eckt an, er verwehrt sich einfachen Schlussfolgerungen. Wird man mit einem solch scheinbar formlosen Ungetüm konfrontiert – welches obendrein auch noch grossartig gemacht ist –, dann ist es lohnenswert, sich der unorthodoxen Vision, den ureigenen, nicht immer glorreichen Ideen, mit denen gespielt wird, zu ergeben. Personal Shopper ist kein perfekter Film. Doch es ist eines jener seltenen Werke, in die man nicht bloss eintaucht, sondern in denen man zu ertrinken riskiert.

★★★★

Freitag, 27. Januar 2017

Hacksaw Ridge

Mel Gibson hat ein Problem. Seitdem der einstige Vorzeigestar durch rassistische und antisemitische Tiraden in Hollywood in Ungnade gefallen ist, scheint der Radikalkatholik um jeden Preis beweisen zu wollen, wie nahe am Herzen ihm Jesus Christus' Botschaft von Liebe und Frieden liegt. In Angriff nimmt er dieses Projekt, indem er als Regisseur Geschichten von Ikonen der christlichen Gewaltlosigkeit erzählt. Doch Filme wie The Passion of the Christ (2004) und der sechsfach oscarnominierte Hacksaw Ridge zeigen, dass ein friedlicher Protagonist allein nicht ausreicht.

Nachdem er in seiner Bibelverfilmung Jesus auf einen äusserst blutigen Leidensweg geschickt hat, nimmt sich Gibson hier des gläubigen Adventisten Desmond Doss (Andrew Garfield) an, der sich im Zweiten Weltkrieg das Recht erstritt, aus religiösen Gründen ohne Waffe in den Kampf zu ziehen.

Was angesichts von Gibsons Überzeugung, dass das Paradies nur Mitgliedern der katholischen Kirche offen steht, ein wenig überrascht, ist, dass dieser christliche Kern das stärkste Element im faktenbasierten Hacksaw Ridge ist. Im Sanitäter Desmond, der versuchen will, "eine sich selbst zerstörende Welt wieder ein bisschen zusammen zu flicken", findet der Film ein erhebendes Beispiel positiver, vorurteilsloser Religiosität, ein Stück standhaften Pazifismus in der Hölle eines insgesamt gerecht wirkenden Krieges. Diese Auseinandersetzung geht zwar weit weniger tief als etwa in Maria Schraders Vor der Morgenröte, formuliert aber eine durchaus wertvolle Grundaussage.

Hier kommt jedoch die fundamentale Problematik von Gibsons Kino ins Spiel. Denn wie schon The Passion of the Christ zeichnet sich auch Hacksaw Ridge primär durch eine stellenweise schwer verdauliche Blutrünstigkeit aus. Zerfetzte Gliedmassen, klaffende Schusswunden, brennende Körper, verstreute Innereien, explodierende Schädel – das alles dominiert die zweite Hälfte dieses Films, die selbst einen Saving Private Ryan (1998) punkto Inszenierung von Kriegsschrecken in den Schatten stellt.

Der Pazifist Desmond Doss (Andrew Garfield) zieht ohne Gewehr in den Zweiten Weltkrieg.
© Impuls Pictures AG
An der Oberfläche wird so ein erschütternder Kontrast zwischen dem friedliebenden Desmond und dem Krieg, in den er freiwillig zieht, hergestellt. Verkauft wird einem das als schockierender Antikriegsfilm. Doch diese Rechnung geht nicht auf, und das hat vorab mit Gibsons Inszenierung zu tun.

Die unmenschliche Gewalt des Zweiten Weltkriegs in blutigem Detail darzustellen, muss nicht automatisch ein Zelebrieren sein – das weiss man dank Spielbergs Private Ryan, Eastwoods Letters from Iwo Jima (2006) und Ayers Fury (2014). Hacksaw Ridge aber geht den berühmten Schritt zu weit. Es ist schwer, die Fassade christlicher Nächstenliebe für bare Münze zu nehmen, wenn man Desmonds Kameraden in extremer Zeitlupe dabei zusieht, wie sie einen Japaner nach dem anderen niedermähen, wie sie nicht weniger als dreimal durch den Einsatz eines Flammenwerfers gerettet werden, wenn ein GI den durchschossenen und verstümmelten Körper eines gefallenen Soldaten als Schild benutzt.

Dass die Schlacht um Okinawa grossartig inszeniert ist – anders als das ungelenke Liebesgeplänkel zwischen Desmond und seiner späteren Ehefrau Dorothy (Teresa Palmer) im ersten Akt –, steht ausser Frage. Die Explosionen, das Gewehrfeuer, die Schreie sind ohrenbetäubend, das Höllenchaos stilistisch perfekt; manche Einzelschicksale, wie etwa jenes von Sergeant Howell (Vince Vaughn – allzu bemüht um Oscar-Aufmerksamkeit buhlend), lösen stimmig Konflikte auf, die während der stellenweise ganz amüsanten Trainingssequenzen in Gang gesetzt werden.

Auf Okinawa lernt Desmonds Trupp, angeführt von Sergeant Howell (Vince Vaughn, 2. v. l.), die Schrecken des Krieges kennen.
© Impuls Pictures AG
Doch letztendlich bleibt in Hacksaw Ridge vieles Stückwerk. Desmonds Beziehung zu seinem kriegsversehrten, alkoholkranken Vater (Hugo Weaving) lässt Subtilität ebenso vermissen wie sein ungeschicktes Werben um Dorothy. Die abrupten Tonfallwechsel innerhalb einzelner Sequenzen brechen immer wieder den Erzählfluss. Der Versuch, das Gemetzel auf Okinawa durch ein halbes Dutzend grob skizzierter Nebenfiguren emotional aufzuwerten, funktioniert lediglich in Ansätzen.

Obwohl der Film besser ist als Braveheart und The Passion of the Christ, kann er sich dem Vorwurf der Heuchelei nur schwer entziehen. Filmemacherisch hat Gibson nun einmal eine sadistische Ader – das ist legitim, und die soll er auch ausleben dürfen. Doch dieser Impuls lässt sich schlicht nicht harmonisch mit Projekten vereinen, die vorgeben, für christliche Barmherzigkeit einzustehen. Hacksaw Ridge ist die Geschichte eines Regisseurs, der an seinen eigenen widersprüchlichen Instinkten zerbricht.

★★

Collateral Beauty

Der Titel des neuen Films von David Frankel (The Devil Wears Prada, Marley & Me, Hope Springs) bezieht sich auf die Linie "Notice the collateral beauty", die einer trauernden Mutter (Naomie Harris) kurz vor dem Krebstod ihrer sechsjährigen Tochter von einer Fremden auf den Weg gegeben wird. Diese "kollaterale Schönheit" – oder doch "verborgen", wie es in den deutschen Untertiteln steht? – ist das Wissen, dass alles auf der Welt miteinander verbunden ist, dass die einzelne Person tagtäglich unzählige Leben berührt. "We are all connected", heisst es denn auch in der Poster-Tagline.

Irgendwie klingt das alles sehr vertraut. Gab es da vor ein paar Jahren nicht Akiva Goldsmans Winter's Tale, in dem es Colin Farrell in den 1910er Jahren mit einer Dämonenmafia aufnahm und sich plötzlich im Jahr 2014 wiederfand, um ein sterbendes Mädchen zu retten? "Everything is connected by light" war damals die zentrale Grusskarten-Weisheit, die in letzter Konsequenz dafür sorgte, "that the universe bends over backwards to help a dying child". Es lässt sich darüber streiten, ob wirklich alles so miteinander zusammenhängt. Offenkundiger ist jedoch die Verbindung zwischen Winter's Tale und Collateral Beauty – beide sind aus dem gleichen sentimental-manipulativen Holz geschnitzt.

Während Goldsmans Film aber immerhin auf höchst fantasievolle und unterhaltsame Art und Weise hirnrissig ist – vom fliegenden Hundepferd bis zu Russell Crowes Vorliebe für Eulengerichte –, macht sich bei Frankel schon früh Langeweile breit. Will Smith – in Winter's Tale ein haarstäubend lächerlicher Luzifer – schlafwandelt durch eine Erzählung, deren Figuren unsauber geschriebene Stereotypen, deren Konflikte hoffnungslos konstruiert und deren ethische Implikationen hochgradig fragwürdig sind.

Seit dem Tod seiner Tochter ist der depressive Howard (Will Smith) kaum noch ansprechbar.
© 2016 Warner Bros. Ent.
Smith spielt Howard, einen einst begnadeten Werbeagenten, der seit dem Tod seiner Tochter seine Tage im Büro damit verbringt, elaborierte Domino-Konstruktionen zu bauen, während seine Freunde und Geschäftspartner (Kate Winslet, Michael Peña, Edward Norton) versuchen, die Firma vor dem Kollaps zu bewahren. Diese fassen schliesslich einen Plan: Um den fast schon katatonischen Howard dazu zu bringen, seinen Firmenanteil abzugeben, heuern sie drei Schauspieler an, die ihn zur Rede stellen sollen. In diesen Konfrontationen übernehmen sie die Rollen von Tod (Helen Mirren), Zeit (Jacob Latimore) und Liebe (Keira Knightley) – abstrakte Konzepte, an die Howard unlängst Briefe geschrieben hat. Eine Privatdetektivin (Ann Dowd) soll diese Gespräche filmen und die Darsteller anschliessend digital entfernen, sodass dem Verwaltungsrat ein Beleg für Howards Unzurechnungsfähigkeit präsentiert werden kann.

Mündet diese Prämisse ins Spirituelle und Philosophische? Natürlich. Lernt Howard, das Leben aus einer neuen Perspektive zu sehen? Selbstverständlich. Wird auch das Leben seiner verzweifelten Freunde durch die Bemühungen der Schauspieler bereichert? Wie könnte es auch anders sein? Man könnte Collateral Beauty mühelos in ein Bingo-Spiel über das "esoterisch angehauchte C'est-la-vie-Rührstück"-Genre verwandeln: Totes Kind? Bingo. Zu dramatischen Zwecken missbrauchte Depression? Bingo. Eine kinderlose Karrierefrau ist unglücklich? Bingo. Ein Mann versucht, sich mit seiner entfremdeten Tochter zu versöhnen? Bingo. Krebs? Bingo.

Howards Freunde und Geschäftspartner Whit (Edward Norton, links), Claire (Kate Winslet) und Simon (Michael Peña) bemühen sich vergeblich, ihn zur Rede zu stellen.
© 2016 Warner Bros. Ent.
Diese Anhäufung von Tragödien wäre selbst in einem gut geschriebenen Film problematisch. Allan Loebs Drehbuch jedoch schafft es nicht einmal einigermassen, die Tatsache zu kaschieren, dass sämtliche dramatischen Elemente einzig und allein auf die Tränendrüsen abzielen. Die kleineren Konflikte der Figuren wirken willkürlich und uncharakteristisch. Im dritten Akt häufen sich Szenen, deren Dialoge sich unerträglich in die Länge ziehen, weil jeder Satz noch von einem ausgedehnten Schluchzer akzentuiert wird. Die letzten zehn Minuten warten obendrein mit zwei Wendungen auf, die weder emotional noch dramaturgisch Sinn ergeben.

Mit dieser inneren Diskontinuität hängt auch der Umstand zusammen, dass Collateral Beauty letztlich mehr als nur ein schlechtes Melodrama ist – dass Frankel und Loeb nämlich hart an der Grenze zum Anstössigen operieren. Willentliche Aussetzung des Unglaubens – auch bekannt als "suspension of disbelief" – mag zu den Grundfesten des Kinos gehören; doch hier wird das Prinzip zu weit getrieben. Der Film liefert keine befriedigende Begründung dafür, warum Whit (Norton), Claire (Winslet) und Simon (Peña) mit ihrem verworrenen Plan schneller zum Ziel gelangen würden, als wenn sie Howard mit vereinten Kräften ins Gewissen reden würden. Was das Publikum zu Gesicht bekommt, sind isolierte Einzelversuche nach Feierabend – obwohl Howard täglich Stunden damit verbringt, vor den Augen seiner Partner Dominosteine aneinander zu reihen.

Drei Schauspieler sollen Howard in den Rollen von Tod (Helen Mirren, links), Liebe (Keira Knightley) und Zeit (Jacob Latimore) besuchen, um ihn wach zu rütteln.
© 2016 Warner Bros. Ent.
Und doch benutzt der Film Howards angebliche Unnahbarkeit als Vorwand, ihn einer grausamen Gaslighting-Kur auszusetzen, ihm einzureden, dass die Realität, die er wahrnimmt, nicht existiert. Damit nicht genug – die Massnahme als solche wird auch kaum je kritisiert. Helen Mirren nimmt zwar das Wort Gaslighting in den Mund, wird aber sogleich korrigiert: Es sei zu Howards Bestem – und somit akzeptabel. In einer Welt, in der Gaslighting zu den Grundpfeilern missbräuchlicher Beziehungen gehört, ist eine derartige Haltung im besten Fall ignorant, im schlechtesten Fall verantwortungslos und schädlich.

Schon Winter's Tale war beleidigend – was hat das vom Universum gerettete Kind, was Millionen andere nicht haben? –, aber wenigstens auf eine weniger spezifische Weise. Edward Norton, Jacob Latimore, und Michael Peña mögen versuchen, diesem Machwerk wenigstens ein bisschen Leben einzuhauchen; es ist ein Fest, wenn Figuren mit heiligem Ernst Dinge wie "He's reaching out to the cosmos for answers" von sich geben. Doch schlussendlich bleibt Collateral Beauty eine stümperhaft zusammengeschusterte, manipulative Schnulze, die vor lauter kosmischer Gefühlsduselei Ethik und Moral vergisst.

Mittwoch, 25. Januar 2017

"Liebe Schweizer Verleiher..." – Teil 1


In den Schweizer Kinos starten jedes Jahr Hunderte von Filmen aus aller Welt. Wir bekommen die grosse Mehrheit der Oscarkandidaten zu sehen, ebenso Auserlesenes aus dem internationalen Filmschaffen. Dass die hiesigen Verleiher entsprechend Entscheidungen bezüglich Programmation fällen müssen, die auf finanziellen Erwartungen basieren, ist sowohl logisch als auch verständlich.

Ein schwer zugänglicher Minimalfilm wie etwa Tsai Ming-liangs Stray Dogs (2013) oder eine schwarze Tragikomödie über Rassismus in den USA wie Justin Simiens Dear White People (2014) werden es im begrenzten Kinopool der Schweiz immer schwer haben – gegen die Blockbuster, gegen die "universelleren" Indie-Produktionen von Fox Searchlight und Co., gegen andere Minimalfilme, die in Cannes oder Venedig einen Preis gewinnen und daraufhin mit einem zweiwöchigen Lauf im Zürcher Houdini oder dem Luzerner stattkino belohnt werden. Es überrascht also nicht, dass die beiden genannten Werke hier niemand im regulären Programm sehen konnte.

Doch dieses Wissen mindert die Enttäuschung nur wenig, wenn man, nachdem man wochen- und monatelang im Sight & Sound, auf Indiewire und Twitter von einem Film liest, der in den USA oder anderswo für Furore sorgt, auf Bestenlisten landet und Kritikerpreise einheimst, einen hoffnungsvollen Blick auf die Startliste der Schweizer Verleiher wirft und ihn nirgends finden kann.

Aus diesem Grund soll auf Facing the Bitter Truth eine neue Reihe eingeführt werden: "Liebe Schweizer Verleiher..." macht auf Filme aufmerksam, die laut filmdistrubution.ch hierzulande noch keinen Verleiher gefunden haben und die es – meiner Meinung nach – verdienen würden, auf Schweizer Leinwänden gezeigt zu werden. Es wird sich zeigen, wie regelmässig ein solches Feature sich aufdrängen wird. Fest steht jedoch, dass nach dem heutigen Post bereits zwei weitere geplant sind. An die Arbeit, Schweizer Verleiher!



20th Century Women
  • Regie: Mike Mills (Beginners)
  • Mit: Annette Bening, Greta Gerwig, Elle Fanning, Billy Crudup
  • Oscarnomination für Bestes Originaldrehbuch
Mike Mills' Tragikomödie Beginners, für die Christopher Plummer den Nebendarsteller-Oscar erhielt, lockte im Sommer 2011 fast 20'000 Menschen in die Schweizer Kinos – ein Achtungserfolg. Entsprechend würde man annehmen, dass der Erwerb von Mills' erstem Film seither, dem oscarnominierten 20th Century Women, nach dessen Premiere beim New York Film Festival im Oktober reine Formsache sei. Leider aber rührt sich an der Verleiherfront bislang noch nichts.

Währenddessen überhäufen die amerikanischen Kritiker den Film, der seit dem 28. Dezember im regulären US-Programm zu sehen ist, mit Lob und Superlativen. Die Geschichte dreier Frauen – gespielt von Annette Bening, Greta Gerwig und Elle Fanning –, die 1979 gemeinsam ein Kind gross ziehen, greife auf einfühlsam-spielerische Weise zahlreiche feministische Diskurse auf, die man so im Kino nur selten zu sehen bekomme. Mills gebe Bening "die seltene Chance, in einer Hauptrolle zu brillieren", so der Kritiker-Konsens auf Rotten Tomatoes; derweil sein Drehbuch voller Dialogperlen, wunderbarer Figuren und subtiler Momente sei.



Right Now, Wrong Then
  • Regie: Hong Sang-soo (Night and Day, The Day He Arrives, Nobody's Daughter Haewon)
  • Mit: Jung Jae-young, Kim Min-hee, Youn Yuh-jung, Gi Ju-bong
  • Gewinner des Goldenen Leoparden und des Hauptdarstellerpreises beim Locarno International Film Festival 2015
Es ist wahrscheinlich schon zu spät, diesen Film in die Schweizer Kinos zu bringen, feierte er doch 2015 Premiere und startete im Sommer 2016 in den USA. Doch irgendwie wäre eine verspätete Aufnahme ins Programm symptomatisch: Der südkoreanische Regisseur Hong Sang-soo, der mit seinen minimalistischen Dialogfilmen schon seit Jahren ein treues internationales Publikum begeistert, ist bislang völlig an der Schweiz vorbeigelaufen. Obwohl er einen ähnlichen Schaffensdrang an den Tag legt wie etwa der Japaner Hirokazu Koreeda (I Wish, Like Father, Like Son, Our Little Sister), dessen Filme regelmässig in der Schweiz anlaufen, wartet Hong, nach 19 Langspielfilmen in den letzten 20 Jahren, nach wie vor auf einen ihm wohl gesonnenen Verleiher.

Auch Right Now, Wrong Then verspricht, eine anregende Vignette über zwischenmenschliche Beziehungen zu sein. Der Film handelt zweimal von derselben Begegnung, lässt allerdings seine Figuren sich jeweils unterschiedlich verhalten. Und sollte das Produktionsjahr 2015 wirklich zu weit zurück liegen – obschon zum Beispiel Drew Barrymores Whip It (2009) auch erst 2011 seinen Weg in die Schweizer Kinos fand –, dann sorgt Hong höchstselbst für ein Alternativprogramm: Im vergangenen Jahr präsentierte er Yourself and Yours, während er bei der diesjährigen Berlinale mit On the Beach at Night Alone vertreten ist.



The Witch
  • Regie: Robert Eggers
  • Mit: Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie
  • Gewinner des Regiepreises in Sundance; Gotham-Award-Gewinner (Breakthrough Actor); Debütpreis-Nominationenen bei den Independent Spirit Awards; zahlreiche Kritikerpreis-Siege und -Nominationen
Dem amerikanischen Indie-Liebling It Follows einen Schweizer Nachtvorstellungslauf zu geben, war ein Schritt in die richtige Richtung. Doch die Nachricht, dass das Horrorgenre mehr zu bieten hat als Exorzisten-Schocker, Paranormal Activity-Sequels und M.-Night-Shyamalan- und James-Wan-Produktionen, scheint noch immer nicht richtig angekommen zu sein. Das zeigt das Übergehen von Robert Eggers' Sundance-Hit The Witch. (Ein weiterer Beleg ist das Fehlen von Fede Alvarez' Don't Breathe im Startkalender, worauf wohl in einer künftigen Ausgabe von "Liebe Schweizer Verleiher..." einzugehen sein wird.)

Vielleicht schreckt die Verleiher der Untertitel A New-England Folktale ab. Vielleicht vermuten sie einen fehlenden Bezug der Schweizer Zuschauer zur Geschichte der Puritaner – was nachträglich auch den Nichtstart von Sightseers- und High-Rise-Regisseur Ben Wheatleys A Field in England erklären würde. Tatsache ist, dass The Witch, der von einer dämonischen Heimsuchung im kolonialen Amerika handelt, sensationelle 40 Millionen Dollar eingespielt hat und einen beeindruckenden Palmarès aufzuweisen hat. Auch die Schweiz hat es verdient, aufstrebende Horror-Talente zu sehen zu bekommen.

Montag, 9. Januar 2017

La La Land

"They don't make 'em like that anymore", lautet ein Satz, der im Zusammenhang mit Hollywoods Filmproduktion immer wieder gerne benutzt wird. Zum Einsatz kommt er vor allem dann, wenn sich ein neuer Film auf das klassische Hollywood bezieht, die alten Ausdrucksformen wieder belebt, sich klassischer Erzähl- und Rollenmuster bedient. Die Implikation: Alles andere ist neumodische Massenware, die binnen Monaten in Vergessenheit geraten wird, während der Klassiker-Hommage, wie ihren Vorbildern, ewige Ehrerbietung gebührt.

Es ist eine Einschätzung, die einer nostalgischen Einstellung entwächst – eine Einstellung, wie sie Sebastian Wilder (Ryan Gosling), die männliche Hauptfigur in Damien Chazelles Filmmusical und Oscarfavorit La La Land, augenscheinlich vertritt. Der erfolglose Pianist liebt den Jazz über alles; sein Traum ist es, ein dem amerikanischen Musikgenre schlechthin gewidmetes Lokal zu eröffnen. Doch gegen den eklektischen Zeitgeist scheint der Purist nicht anzukommen: Seine begehrte Ladenfläche verliert er an einen "Samba & Tapas"-Schuppen; ein alter Bekannter (John Legend) stellt eine auf Charterfolg gebürstete Jazz-Fusion-Combo auf die Beine.

Aus dem Weg, den die Figur des begnadeten Nostalgikers Sebastian in La La Land beschreitet, lassen sich durchaus problematische Schlüsse ziehen – wie es etwa Todd VanDerWerff in seinem lesenswerten Vox-Artikel tut. Immerhin ist das "They don't make 'em like that anymore"-Urteil ein tendenziell fortschrittsfeindliches, dem die Kultivierung einer tröstlich bekannten Vergangenheit wertvoller erscheint als ein möglicherweise verstörendes Experimentieren mit Neuem.

Doch die Brillanz von Chazelles Film liegt eben gerade in der Mehrdeutigkeit, die er seinem Publikum anbietet – mit der er im Grunde dem Traum seiner filmhistorischen Vorbilder näher kommt als diese es je konnten. Ja, La La Land, der offenkundig in der Gegenwart spielt, bedient die Nostalgie unverhohlen: Sebastian ist und bleibt am glücklichsten, wenn er seinen "puren" Jazz spielen kann. Mia (Emma Stone), die Warner-Bros.-Set-Barista, in die er sich verliebt, will Schauspielerin werden, wie einst Ingrid Bergman, deren gemaltes Gesicht überlebensgross ihre Schlafzimmerwand ziert.

"City of Stars": Die Träumer Sebastian (Ryan Gosling) und Mia (Emma Stone) treffen und verlieben sich in Los Angeles.
© Ascot Elite Entertainment Group
Einen ihrer ersten romantischen Abende verbringen die beiden in einer Vorführung des James-Dean-Klassikers Rebel Without a Cause, die – wie entzückend altmodisch – in einem Filmriss endet. Smartphones verzögern unablässig die Romantik. Der Film selbst beginnt in Schwarzweiss und Stummfilm-Kadrage, bevor eine Einblendung stolz "Presented in Cinemascope" verkündet und die erste Sing- und Tanznummer – das grandiose "Another Day of Sun" – verspricht, die Zuschauer in "a Technicolor world made out of music and machine" zu entführen.

Inspiriert von Musical-Meilensteinen wie Broadway Melody of 1940 (1940), Singin' in the Rain (1952), Les parapluies de Cherbourg (1964), Les demoiselles de Rochefort (1967) und anderen sowie den Grossstadtsinfonien der Zwanzigerjahre, erzählt Chazelle die bewährte Geschichte zweier Träumer, die sich im urbanen Dschungel von Los Angeles finden, verlieben und fortan das Abenteuer, sich in der Stadt der Engel durchzusetzen, gemeinsam bestreiten.

La La Land mag Sebastian die Erhaltung seiner nostalgischen Integrität ebenso gewähren wie Mia den Glauben an den amerikanischen Mädchentraum, wie man ihn aus Hollywoods goldenem Zeitalter kennt. Bei aller Fortschrittsliebe: Das Muster, richtig angewandt, sorgt für starkes Kino. Doch der Film begnügt sich nicht mit dem blossen Wiederaufgreifen der alten Strukturen, weshalb sich der dritte Langspielfilm des Whiplash-Regisseurs alles andere als dazu eignet, die "They don't make 'em like that anymore"-Plattitüde angeheftet zu bekommen.

Nostalgie versus Anpassung: Sebastian hat für das Jazz-Fusion-Projekt seines einstigen Freundes Keith (John Legend) nur wenig Sympathie übrig.
© Ascot Elite Entertainment Group
Chazelle schraubt an den Wendungen, den Motiven, den Wertvorstellungen, stellenweise auch an den Geschlechterrollen, die vor 50, 60, 70 Jahren herrschten, um seinem Film eine durchaus moderne Sensibilität zu verleihen, um ihn einer Welt anzupassen, die längst aufgehört hat, an die Verheissungen der Traumfabrik zu glauben – falls sie es denn je getan hat. Und er macht das, ohne auch nur ein Fünkchen seines romantisch-nostalgischen Charmes zu opfern. Somit ist La La Land der perfekte Hollywoodfilm: Er ehrt seine Vorgänger, er liefert dem Publikum, was es will, blickt aber gleichzeitig nach vorn und bemüht sich darum, die klassischen Versatzstücke neu einzusetzen.

Die Nahtlosigkeit dieser Kompromissbereitschaft hilft ihm letztendlich auch über die streckenweise etwas gar verknappte Plot-Entwicklung hinweg – denn auch Chazelle schafft es nicht, Figuren immun gegenüber vermeidbaren Kommunikationsproblemen zu machen. Dafür erweist er sich nach Whiplash erneut als aussergewöhnlich talentierter Stilist, der, in Zusammenarbeit mit Kameramann Linus Sandgren, in wunderschönen Blau-, Rot-, Grün- und Gelbtönen tatsächlich einen den malerischsten Ecken Los Angeles' gewidmeten "Technicolor dream" auf die Leinwand zaubert.

Vollendet wird das Ganze durch Emma Stone und Ryan Gosling, die in wahrer Filmstar-Manier Justin Hurwitz' herausragenden Stücken singend und tanzend mitreissendes Leben verleihen – von "City of Stars" über "The Fools Who Dream" bis hin zur "Epilogue"-Sequenz, die in ihrer wortlosen emotionalen Intensität noch einmal bestätigt, was in den vorangegangenen zwei Stunden aus jeder einzelnen Einstellung strömte: La La Land ist Filmmagie pur.

★★★★★

Freitag, 6. Januar 2017

The Best Films of 2016


"Even outside of the world of cinema, the past twelve months have been eventful, to say the least. So compiling a list of my favourite Swiss cinema releases of 2016 felt ever so slightly more significant and tied to real-life goings-on than it did in the past. But maybe that’s just another way of trying to put my opinions into a somewhat more 'meaningful' context than would otherwise be the case. Ultimately, everybody can judge for themselves, which is why I will stop hedging now and, after pointing out that Oscar hopefuls like La La Land, Manchester by the Sea, Moonlight, and Jackie (which makes a strong case for being my Film of the Year 2017) are not in the running here because of their January and February Swiss release dates, get started."

Zu lesen gibt es die Liste auf The Zurich English Student.