Zusammen mit den X-Men begründete der Teenager mit den Spinnenkräften das Superheldenkino des frühen 21. Jahrhunderts; zwischen 2002 und 2007 drehte Sam Raimi drei Filme mit Tobey Maguire in der Titelrolle. Lediglich fünf Jahre nach dem von den Fans ungeliebten Spider-Man 3 erfolgte der erste Reboot: (500) Days of Summer-Regisseur Marc Webb beerbte Raimi, Andrew Garfield trat in Maguires Fussstapfen, und es entstanden die unterbewerteten The Amazing Spider-Man (2012) und The Amazing Spider-Man 2 (2014).
Die für Marvel-Verhältnisse unbefriedigenden Reaktionen von Publikum und Kritik auf diese Filme lieferten der Disney-Tochtergesellschaft die ideale Rechtfertigung, Webbs Fortsetzungspläne auf Eis zu legen und Peter Parker alias Spider-Man endlich ins seit 2008 laufende "Marvel Cinematic Universe" (MCU) einzuführen. Keine zwei Jahre nach The Amazing Spider-Man 2 war der erneute Reboot beschlossene Sache; besetzt wurde die Rolle mit Tom Holland (The Impossible, In the Heart of the Sea), der bereits im Frühjahr 2016 in Captain America: Civil War sein Debüt im rot-blauen Spider-Man-Anzug feierte.
Hollands Auftritte gehörten zu den Höhepunkten in einem ohnehin schon überdurchschnittlichen Actionfilm und liessen auf einen lohnenswerten Reboot hoffen. Diesen präsentiert Marvel Studios nun mit Spider-Man: Homecoming, der die Erwartungen zweifellos erfüllt, sie allerdings auch nicht übertrifft.
Die neue Generation: Spider-Man (Tom Holland) ist wieder ein High-School-Schüler. © Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH |
Das ist eine mutige Entscheidung, ist doch gerade Spider-Man einer jener Superhelden mit einer glasklar umrissenen Mission: "With great power comes great responsibility", bekommt er von seinem Onkel Ben auf den Weg gegeben. Soll heissen: Peter Parkers übermenschliche Kräfte verpflichten ihn dazu, sie zum Schutz der Kleinen und Schwachen einzusetzen. Es ist das, was Spider-Man im Kern von Iron Man, Captain America und Thor unterscheidet: Er ist ein Teenager mit alltäglichen Problemen, der sich darum bemüht, die Strassen von New York sicher zu machen; Welt- und Universumsrettung gehören nicht zu seinem Portfolio.
Es droht Gefahr: Adrian Toomes alias Vulture (Michael Keaton) will sich mit hochexplosiver Alien-Technologie bereichern. © Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH |
Homecoming erzählt von einem 15-jährigen Spider-Man, der schon eine Weile mit seinen besonderen Kräften vertraut ist. Sein freundlicher Populismus, sein Einsatz für seine Mit-New-Yorker als "friendly neighborhood Spider-Man" wird nicht über eine einschneidende Familientragödie definiert, sondern über seine Beziehung zu seinem distanzierten Mentor Tony Stark alias Iron Man (Robert Downey Jr.). Während Peter als maskierter Ordnungshüter Fahrraddiebe dingfest macht und alten Damen den Weg erklärt, jettet Stark rund um den Globus, derweil er die Avengers staatlich regulieren und in einen Militärkomplex umziehen lässt. Raimis Spider-Man war eine Hommage an den Geist des Zusammenhalts in New York nach 9/11; Watts konstruiert eine – nicht restlos überzeugende – Allegorie auf den anhaltenden Konflikt zwischen Populismus und Globalisierung.
Zusammen mit seinem besten Freund Ned (Jacob Batalon) versucht Peter Parker alias Spider-Man, Vulture auf frischer Tat zu ertappen. © Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH |
Man könnte lange darüber diskutieren, ob der Bösewicht des Films, Adrian Toomes alias Vulture (ein herausragender Michael Keaton), mit seiner Entwicklung vom betrogenen Arbeiter mit nachvollziehbarer Motivation zum zynischen, gewalttätigen Opportunisten die Korruption des Bernie-Sanders-Populismus zum rechtsnationalen Trumpismus symbolisiert. Doch glücklicherweise hält sich der Film nicht allzu lange mit der konfusen MCU-Politik auf.
Doch so sehr sich Homecoming von seinen Franchisen-Vorgängern abhebt, so bekannt fühlt er sich an. Man bekommt einen Superheldenfilm vorgesetzt, der kaum kompetenter gemacht sein könnte. Zu keinem Zeitpunkt besteht hier das Risiko, dass Peter, wie in Spider-Man 3, plötzlich zu tanzen beginnt. Die erratischeren Momente in The Amazing Spider-Man hätten es niemals in die Endfassung dieses Films geschafft. Und das ist an sich gut so. Doch diese saubere Präsentation raubt dem Ganzen auch eine gewisse Identität. Spider-Man: Homecoming ist hochgradig unterhaltsam und ungemein sympathisch – wenn auch schlussendlich mehr ein Serieneintrag als ein eigenständiges Werk.
★★★
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