Montag, 22. Januar 2018

Downsizing

Mit The Descendants (2011) und Nebraska (2013) hat Sideways-Regisseur Alexander Payne zwei der besten amerikanischen Filme dieses Jahrzehnts gedreht. Es waren zwei aufrichtige, emotional komplexe, zärtlich humorvolle Familiengeschichten, die Lust auf regelmässigere Payne-Projekte machten.

Vier Jahre vergingen, bevor der Wunsch erfüllt wurde. In Downsizing widmen sich Payne und Co-Autor Jim Taylor einer Idee, die ihnen schon Mitte der 2000er Jahre gekommen war, sie aus verschiedenen Gründen aber erst jetzt realisieren konnten: eine Science-Fiction-Tragikomödie über eine Welt, in der Menschen geschrumpft werden, um die Natur zu schonen.

Herausgekommen ist ein hochgradig seltsamer Film. Hat man angesichts der "Was wäre, wenn...?"-Prämisse anfänglich noch das Gefühl, einer spielfilmlangen Episode der TV-Serie Black Mirror beizuwohnen, durchläuft das Ganze bis zu seinem Ende dermassen viele Gangwechsel, dass einem lediglich verwirrtes Kopfschütteln übrig bleibt.

Der Held von Downsizing ist Paul (Matt Damon), der sich von der Titel gebenden Verkleinerungskur eine bessere Zukunft für sich und seine Ehefrau Audrey (Kristen Wiig) verspricht. Da man nach besagter Prozedur nur noch zwölf Zentimeter gross ist, sinken die Lebenskosten massiv, was dazu führt, dass sich das Vermögen der Menschen ums Tausendfache multipliziert, sobald sie im Kleinformat angekommen sind. Doch als Audrey in allerletzter Sekunde einen Rückzieher macht, ist Paul klein, allein und bald schon geschieden. So wartet in der Schrumpfmetropole Leisureland kein Luxusleben ohne Arbeit auf ihn, sondern ein deprimierender Bürojob in einem Callcenter.

Bis hierhin sind gut 40 Minuten vergangen – genug Zeit für den Film, die nötige Exposition mit teils ermüdendem Detailreichtum hinter sich zu bringen, unnötige Cameos einzustreuen (Margo Martindale, Neil Patrick Harris, Laura Dern) und lasche Witzchen über Penis- und andere Grössenverhältnisse fallen zu lassen. Auch wird Audrey im Laufe dieses ersten Drittels komplett aus dem Film herausgeschrieben – wobei ihre an sich nachvollziehbaren Bedenken bezüglich des "Downsizings" selbstsicher als bösartiger Verrat an Paul dargestellt werden. Es sind Elemente wie dieses – leichtfertige Ignoranz gegenüber aktueller kultureller Diskurse –, die daran erinnern, dass das Drehbuch zu Downsizing vor mindestens zehn Jahren verfasst wurde.

Paul (Matt Damon, links) hofft auf ein besseres Leben im Kleinformat.
© Paramount Pictures
Wer sich politische und soziale Satire versprach – eigentlich ja die Grundlage von solchen Konzeptfilmen –, wird bis zu diesem Punkt mit einem betrunkenen Pöbler, der das Wahlrecht verkleinerter Menschen einschränken will, abgespeist. Zwar wird dieser thematische Aspekt in der Folge konkreter, wenn auch nicht unbedingt besser.

Denn einige Zeit nach seiner Scheidung von Audrey lernt Paul über seinen partyhungrigen Nachbarn Dušan (ein hoch motivierter Christoph Waltz) die vietnamesische Dissidentin Ngoc Lan Tran (Hong Chau) kennen, die inzwischen ein Dasein als Putzhilfe für reiche Müssiggänger wie Dušan fristet. Durch sie entdeckt Paul die Kehrseite des Leisureland-Überflusses: die Slums, in denen die arme Bevölkerung täglich ums Überleben kämpft.

Hier liegt wohl irgendwo eine Parabel auf die USA und ihren brutalen Umgang mit hispanischen und afrikanischen Immigranten begraben – man denke an Donald Trumps "Shithole countries"-Ausbruch. Doch auch hier bemühen Payne und Taylor die denkbar unglücklichste Art und Weise, sich dem Thema zu nähern: Sie pressen den naiven weissen Mittelständler Paul in einen Handlungsstrang, in dem er im Grunde nichts verloren hat, und verwandeln ihn kurzerhand in einen unentbehrlichen Partner für Lan Tran in ihrer Mission, sich um die kranken und hungernden Menschen im Leisureland-Slum zu kümmern.

Nach seinem "Downsizing" trifft Paul auf Ngoc Lan Tran (Hong Chau), die ihm das Leid hinter der luxuriösen Fassade der Schrumpfstadt Leisureland zeigt.
© Paramount Pictures
Lan Tran wiederum ist eine schrecklich konzipierte Figur – die haarsträubende Karikatur einer Vietnamesin, deren Akzent wiederholt als komödiantisches Stilmittel eingesetzt wird. Letztendlich ist es einzig Hong Chaus grossartige Darbietung, voller Kampfgeist und Intelligenz, die Lan Tran von rassistischer Farce trennt. Für ein Drehbuch ist das in der Regel ein schlechtes Zeichen.

Dieses schickt unsere Helden schliesslich nach Norwegen, um einen Blick auf die zurückgezogen lebende erste Schrumpf-Kolonie der Welt zu werfen. Wenn Downsizing im Laufe des Mittelteils erzählerisch vom Weg abgekommen ist, stürzt er sich hier über die metaphorische Klippe. Bedeutungsschwangere Dialoge über den nahenden Weltuntergang und ein Plädoyer für Aktivismus und gegen Fatalismus treffen auf wunderlich platzierte Versuche, Looney-Tunes-Humor zu adaptieren, sowie weitere Wendungen, die Paul als Protagonisten schlicht disqualifizieren.

Selten liessen sich die positiven Aspekte eines Films so prägnant zusammenfassen, wie es bei Downsizing der Fall ist: Hong Chau, gefangen in einer unwürdig geschriebenen Figur, ist der einzige nennenswerte Lichtblick in einem überlangen, unfokussierten, von A bis Z fehlgeleiteten Projekt. Es ist mit grossem Abstand der bisherige Tiefpunkt in Alexander Paynes Karriere.

1 Kommentar:

  1. a m e n, Alan! I literally cannot believe how utterly misguiding the trailer still is for a clusterfuck of this magnitude

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