Doch obwohl Mary Poppins Returns 25 Jahre nach dem ersten Film spielt, wirkt das Ganze weniger wie eine Weiterführung und mehr wie ein ratloses Remake – ein verzweifelter Versuch, die Magie von damals wieder aufleben zu lassen, indem man das gleiche Programm noch einmal abspult. Gleichzeitig aber scheinen Marshall und Drehbuchautor David Magee (Finding Neverland) den Sinn ihrer Vorlage nicht verstanden zu haben.
Ging es in Robert Stevensons originaler Travers-Adaption etwa noch um Solidarität, Familie und die von Grund auf dubiose Finanzwelt, erweist sich der schnöde Mammon bei Marshall und Magee als Retter in der Not. So müssen hier George (Ben Whishaw) und Jane Banks (Emily Mortimer), die inzwischen erwachsen gewordenen Schützlinge des magischen Kindermädchens Mary Poppins, beweisen, dass sie Anteile an der Bank besitzen, der George seit dem Tod seiner Ehefrau ein kleines Vermögen schuldet und die ihm deshalb mit einer Hausenteignung droht. Zur Hand gehen dem überforderten Geschwisterpaar dabei Georges Kinder Annabel (Pixie Davies), John (Nathanael Saleh) und Georgie (Joel Dawson), der Lampenanzünder Jack (Lin-Manuel Miranda) und – natürlich – die zurückgekehrte Mary Poppins (Emily Blunt).
Dass der Gegenspieler der Protagonisten ein hinterhältiger Bankier (Colin Firth) ist, ist letztlich ein bedeutungsloses Lippenbekenntnis, da sich George schliesslich – mit der Hilfe eines alten Bekannten – trotzdem aus seinen Problemen herauskaufen kann. 1964 sang Julie Andrews' Mary Poppins in der Geschichte der Vogelfrau noch das Hohelied der Almosen: "All around the cathedral the saints and apostles / Look down as she sells her wares / Although you can't see it, you know they are smiling / Each time someone shows that he cares". Heute kann George von Glück reden, dass er sein Geld als Kind investiert und nicht gespendet hat.
Sie ist wieder da: Mary Poppins (Emily Blunt) kehrt nach 25 Jahren zur Banks-Familie zurück. © Disney |
Das musikalische Finale "Nowhere to Go But Up" wiederum zitiert zwar die zum Kult gewordene Schlussnummer des Originals ("Let's Go Fly a Kite"), missversteht aber deren Sinn. Beide Songs begleiten Mary Poppins' Abreise, doch während in "Kite" nichts Übernatürliches geschieht – weil eine glückliche Familie, die gemeinsam einen Drachen steigen lässt, per se ein Stück Alltagsmagie ist –, fliegen die Figuren in "Up" mit Ballons durch die Luft, was hübsch aussehen mag, emotional und thematisch aber, gelinde gesagt, Unsinn ist.
Zusammen mit den Banks-Kindern erlebt Mary Poppins wieder magische Abenteuer. © Disney |
Dies ist denn auch das Fragezeichen, das über dem ganzen Konstrukt Mary Poppins Returns hängt: Warum soll man sich diesen Film ansehen, wenn Mary Poppins bereits existiert? Marshalls schön ausstaffiertes, aber lebloses und nur sehr lose zusammenhängendes Sequel-Remake bleibt die Antwort schuldig.
★★
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen