Wer sich aber mit dem Gedanken anfreunden kann, anstatt einer ebenbürtigen Erweiterung eine Fussnote des Toy Story-Kanons zu sehen, wird über die qualitative Kluft zwischen "(einer) der besten Trilogie(n) aller Zeiten" und ihrem vierten Teil hinwegsehen können. Denn trotz eines chaotischen Produktions- und Schreibprozesses, der von Personalwechseln, kreativen Differenzen und dem Rücktritt von Pixar-Urgestein John Lasseter aufgrund diverser glaubhafter Vorwürfe der sexuellen Belästigung geprägt war, legt Regie-Debütant Josh Cooley hier eine äusserst vergnügliche Komödie vor.
Nach einem wehmütigen Blick in die Vergangenheit – als die lebenden Spielzeuge rund um Woody (gesprochen von Tom Hanks) und Buzz (Tim Allen) noch bei Andy wohnten –, der punkto berührender Nostalgie direkt an Toy Story 3 anknüpft, erfahren wir, wie es den Spielzeugen ergangen ist, seit Andy sie der kleinen Bonnie (Madeleine McGraw) vermacht hat. Auch kurz vor ihrem Eintritt in den Kindergarten spielt Bonnie noch hingebungsvoll mit den üblichen Verdächtigen: Buzz, Cowgirl Jessie (Joan Cusack), der Plastikdinosaurier Rex (Wallace Shawn) und wie sie alle heissen kommen tagtäglich zum Einsatz – nur Woody, der einstige Anführer der Truppe, verstaubt langsam im Schrank.
Doch plötzlich überschlagen sich die Ereignisse: Am Kindergarten-Einführungstag fühlt sich Bonnie dermassen allein, dass sie sich einen neuen Freund aus Abfall bastelt. Ein Plastikgöffel, etwas Knete, ein Pfeifenreiniger und ein Eisstiel – fertig ist Forky (Tony Hale), Bonnies neuestes Lieblingsspielzeug. Dabei ahnt sie nicht, wie viele Existenzkrisen sie damit heraufbeschwört: Während Forky wild entschlossen ist, in den Mülleimer zurückzukehren, müssen Woody und seine Freunde versuchen, ihn von der Aufgabe eines Spielzeugs zu überzeugen.
Woody (gesprochen von Tom Hanks) freundet sich mit dem aus Abfall entstandenen Spielzeug Forky (Tony Hale) an. © The Walt Disney Company Switzerland / Pixar Animation Studios |
Eine derartige Fülle an Elementen – ein eindeutiges Indiz dafür, für wie viele Visionen in diesem Drehbuch Platz gefunden werden musste – stimmig in einem 100-minütigen Familienfilm unterzubringen, ist kein leichtes Unterfangen, weshalb es auch nicht überrascht, dass das Ganze bisweilen ein gewisses Mass an Tiefgang vermissen lässt. Emotionale Momente, gerade im letzten Akt, wirken allzu reissbretthaft und hinterlassen nur einen Bruchteil des Eindrucks, den vergleichbare Szenen in der ursprünglichen Trilogie hinterlassen. Selbst das designiert melancholische Ende ist eher ein geflissentliches Abhaken als ein tief empfundenes Verabschieden der Figuren. Hinzu kommt, dass Toy Story 4 mit seinen spektakulären Actionsequenzen mehr denn je die Glaubwürdigkeit der Vorstellung ausreizt, dass die Menschen nichts von der Lebendigkeit ihrer Spielzeuge wissen.
Auf einem Camping-Trip trifft Woody die zwielichtige Puppe Gabby Gabby (Christina Hendricks). © The Walt Disney Company Switzerland / Pixar Animation Studios |
Tatsächlich wird die Freude am ebenso unterhaltsamen wie sympathischen Toy Story 4 hauptsächlich durch den direkten Vergleich mit seinen Vorgängern getrübt. Auf sich allein gestellt, ist Cooleys Debüt nämlich ein grundsolider Eintrag in die Pixar-Filmografie, der sich qualitativ irgendwo zwischen A Bug's Life (1998) und Monsters University (2013) ansiedeln lässt und einmal mehr belegt, dass auch Filme aus dem Pixar-Mittelfeld noch sehr gutes Kino bieten.
★★★★
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