The Last Jedi, der achte Haupteintrag in die Science-Fiction-Kultreihe
Star Wars, ist einer der besten Blockbuster der 2010er Jahre – womöglich sogar der beste. Denn nachdem J. J. Abrams 2015 mit dem äusserst unterhaltsamen, mit neuen Protagonisten versehenen und dennoch perfekt auf Fan-Nostalgie getrimmten
The Force Awakens die nunmehr dritte Trilogie um den Skywalker-Clan losgetreten hatte, erfrechte sich Rian Johnsons Fortsetzung, einen Schritt weiter zu gehen.
40 Jahre nach George Lucas' originalem
Star Wars (1977) setzte sich Episode VIII gewissenhaft mit der von Abrams beschworenen Nostalgie auseinander, hinterfragte das Verharren im von männlichem Haudrauf-Heroismus und vorherbestimmten Helden-Genealogien geprägten Status quo und stellte damit eine gerade im Zeitalter der
"Cinematic Universes" gewagte Frage in den Raum: Was, wenn wir fortan nach vorne blicken und die Vergangenheit, so sehr ihr Beispiel uns auf dem Weg ins Ungewisse auch leiten mag, Vergangenheit sein lassen? Ausgerechnet Meister Yoda (Frank Oz), der ältesten Figur im
Star Wars-Legendarium, fiel die Ehre zu, diese Diagnose zu stellen: "We are what they grow beyond", belehrte sein Geist den desillusionierten Alt-Jediritter Luke Skywalker (Mark Hamill). "That is the true burden of all masters." Soll heissen: Irgendwann reicht es nicht mehr, sich nur auf das Althergebrachte zu beziehen.
The Last Jedi sprach aus, was viele hören mussten – nicht zuletzt an der Spitze der Walt Disney Company, der die Star Wars-Rechte inzwischen gehören –, und er tat das mit einer erzählerischen und filmemacherischen Virtuosität und Originalität, die im zeitgenössischen Mega-Budget-Kino der rigorosen Marktforschung rar geworden ist. Und obwohl der Film den Grossteil der Kritik überzeugen konnte und weltweit über eine Milliarde Dollar einspielte, liess die Quittung nicht lange auf sich warten. Besonders online formierte sich der Widerstand: Eine sehr laute Minderheit stellte Johnsons Vision als Verrat an der Franchise dar, verfasste Tirade um Tirade auf allen möglichen Plattformen, fantasierte über selbstfinanzierte Alternativfilme und schikanierte Darstellerin Kelly Marie Tran so unablässig, dass sie sich von den sozialen Netzwerken zurückzog.
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Rey (Daisy Ridley), Poe (Oscar Isaac, 2.v.r.) und Finn (John Boyega, rechts) begeben sich erstmals gemeinsam auf geheime Mission für die Rebellion.
© Lucasfilm |
Und wie reagiert nun J. J. Abrams' sehnlichst erwarteter Trilogienabschluss auf seinen polarisierenden Vorgänger? Dass er Johnsons abenteuerlichem Vorbild nicht vollumfänglich folgen würde, war jedenfalls schon im Vorfeld mehr oder weniger ausgemachte Sache – zum einen, weil Abrams nicht der Regisseur für Innovation und Subversion ist; zum anderen, weil die
Star Wars-Franchise schon in
Return of the Jedi (1983) eine Liebe zum etwas allzu runden Ende bewies. Doch
The Rise of Skywalker ist nicht nur nicht abenteuerlich: Der Film ist eine feige Kapitulation vor den besorgniserregenden Auswüchsen einer toxischen Fankultur, die erwartet, dass die von ihr konsumierte Kunst gefälligst ihren eng gefassten Wünschen zu entsprechen hat.
Obwohl hier vordergründig eine Geschichte erzählt wird – eine atem- und thematisch belanglose Schnitzeljagd durch die Galaxie –, wirkt das Ganze weniger wie ein ausgearbeiteter, eigenständiger dritter Teil und mehr wie eine reaktionäre Stellungnahme zu
The Last Jedi, dessen originelle Ansätze wahlweise ignoriert, reversiert oder sogar verhöhnt werden. Nicht umsonst verkündet schon der Einführungstext mit unübersehbarem Enthusiasmus: "The dead speak!" So viel zum Thema Vergangenheitsbewältigung und Aufbruchsstimmung.
Wo Johnson die bislang nur auserwählten Persönlichkeiten vorbehaltene "Macht" ("the Force") demokratisierte – eine Kraft, die sich wohlgemerkt aus der tiefen Verbindung zwischen allen Dingen im Universum speist –, indem er Protagonistin Rey (Daisy Ridley) zum "Niemand" erklärte, kehrt Abrams zum Topos der Erbmonarchie zurück, demgemäss eine
Star Wars-Heldin über berühmte Verwandtschaft verfügen muss. Die aufrichtige Trauer, mit der Luke in
The Last Jedi auf sein Lebenswerk zurückblickte, wird nachträglich zur naiven Stimmungsschwankung umgemünzt. Kylo Ren (Adam Driver – zu gut für diesen Film), der sich zuletzt zum obersten Anführer des bösen First Orders aufschwang und damit scheinbar das Antagonisten-Zepter übernahm, muss sich schon in den ersten Minuten einem neuen alten Bösewicht unterordnen: Palpatine (Ian McDiarmid), der finstere Strippenzieher der ersten beiden Trilogien, ist – ohne sonderlich sinnvolle Erklärung – aus dem Reich der (Schein-)Toten zurückgekehrt.
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Kylo Ren (Adam Driver) führt inzwischen den bösen First Order an.
© Lucasfilm |
Geradezu widerwärtig fällt, zumindest auf der menschlichen Ebene, indessen der Umgang mit Kelly Marie Tran aus, deren Figur, im letzten Film immerhin eine prominente Mitstreiterin der heldenhaften Rebellen-Protagonisten Finn (John Boyega) und Poe (Oscar Isaac), ein Schattendasein fernab der Handlung fristet – augenscheinlich als Konsequenz dafür, einem besonders garstigen Teil der Fangemeinde sauer aufgestossen zu sein. Abrams, Co-Autor Chris Terrio (
Batman v Superman: Dawn of Justice) und die Disney-Verantwortlichen werden zweifellos Erklärungen für diese himmelschreiende Entsagung elementarer Zivilcourage finden; doch die Signalwirkung ist unmissverständlich.
Wären diese kleinkarierten Seitenhiebe gegen
The Last Jedi lediglich fehlgeleitete Einzelfälle in einem insgesamt befriedigenden
Star Wars-Abenteuer im Stile von
The Force Awakens, würde ihre Präsenz vielleicht weniger schwer wiegen. Aber dies bleibt reine Hypothese, da sich
The Rise of Skywalker weder um Figurenwachstum noch um eine Geschichte mit emotionaler Tiefe zu scheren scheint. Vorgesetzt wird einem eine Reihe geschäftiger Suchmissionen auf neuen Planeten, die schliesslich zum obligaten Showdown führen. Das mag technisch kompetent gemacht und von einigen willkommenen Lachern durchsetzt sein, verfügt aber zu keinem Zeitpunkt über die Inspirationskraft, die der
Star Wars-Reihe zu ihrem Status als Popkultur-Phänomen verholfen hat.
Gründe dafür gibt es viele: Die sich überschlagenden Ereignisse und Wendungen sind selbst im Kontext einer Franchise über Weltraummagie haarsträubend und ziemlich bald nicht mehr ernst zu nehmen. Auch nehmen Abrams und Terrio ihr anfängliches Versprechen, dass "die Toten sprechen", allzu wörtlich: Es ist fast schon lächerlich, wie viele Figuren hier zwecks Szenendramatik scheinbar das Zeitliche segnen, nur um wenig später gesund und munter wieder mitzumischen.
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Doch ein alter Bekannter macht Kylo die Rolle des Erzbösewichts streitig – und bekundet Interesse an Rey.
© Lucasfilm |
Und über allem liegt die erstickend warme Decke der Nostalgie: Es gilt das Credo "Was vertraut wirkt, ist gut". So wirken etwa die Dynamiken zwischen Rey, Finn und Poe, welche in
The Last Jedi alle gewichtige Lernprozesse durchlaufen haben und hier erstmals zu dritt mit dem Raumschiff unterwegs sind, hoffnungslos aufgesetzt. Aufgrund seiner mit Plotdetails überfrachteten Dialoge erhält das Trio nämlich nicht die Gelegenheit, eine eigene Beziehung zu entwickeln, und muss sich damit begnügen, die groben Charakterisierungen des ursprünglichen Dreiergespanns Luke, Leia (Carrie Fisher) und Han Solo (Harrison Ford) zu übernehmen. Es ist ein sich wiederholendes Muster: Anstatt aus dem vorhandenen Material Neues zu schaffen, wird es lediglich dazu benutzt, an den Ruhm von gestern zu erinnern – den alten Wein in neue Schläuche zu füllen.
Natürlich ist das alles nichts Neues im Blockbuster-Geschäft, dem spätestens seit Beginn des "Marvel Cinematic Universe" Stan Lees goldene Regel des seriellen Erzählens zugrunde liegt: die sogenannte "illusion of change" – die Strategie, dem Publikum an der Oberfläche Veränderung vorzugaukeln, im Hintergrund aber dafür zu sorgen, dass sich im Kern alles gleich bleibt. Doch im Fall von
The Rise of Skywalker wirkt diese Philosophie der angeblich sicheren Profitoptimierung sowohl künstlerisch als auch gesellschaftlich bedenklich: Das letzte Wort einer einst vielversprechenden Trilogie, deren Mittelteil beherzt und stimmig für einen Aufbruch zu neuen Ufern einstand, fällt nicht nur einem entmutigend generischen Film zu, der mit reaktionärer Beharrlichkeit das Altbekannte gegen jegliche gut gemeinte Herausforderung verteidigt – seine Engstirnigkeit ist zugleich ein Kniefall vor den verstörendsten Impulsen der modernen Fankultur.
★★