Das Erstweltkriegsdrama 1917 von Sam Mendes (American Beauty, Skyfall) mag eine überwiegend britische Produktion sein, die sich um britische Figuren in einem britischen Kontext dreht; doch in gewisser Hinsicht trägt es auch die untrüglichen Merkmale eines klassischen Hollywood-Remakes: ein erst kürzlich bearbeiteter Stoff, der mit grossem Produktionsaufwand zu einem vergleichsweise leicht verdaulichen Narrativ umfunktioniert wurde.
Zugegeben, Mendes und Co-Autorin Kyrsty Wilson-Cairns beziehen sich nicht explizit auf ein bestehendes Werk. Die Geschichte der in Nordfrankreich stationierten Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman), die am 6. April 1917 den Auftrag erhalten, ein nahegelegenes Regiment vor einem deutschen Hinterhalt zu warnen, basiert auf den mündlich überlieferten Kriegserinnerungen von Mendes' Grossvater, dem trinidadischen Autor Alfred Mendes.
Die Soldaten Schofield (George MacKay, links) und Blake (Dean-Charles Chapman) brechen im April 1917 zu einer gefährlichen Mission auf. © Universal Pictures International Switzerland |
Bei Jackson sind diese Anekdoten Teil einer ebenso immersiven wie erschütternden Form der Oral History. Bei Mendes, der auf einen ähnlich viszeralen Effekt abzuzielen scheint, bleiben die Wasserleichen, die halbverwesten Pferde, die aus dem Schutt ragenden Gliedmassen ein blosses ästhetisches Stilmittel – eine Strategie, um die blutige Historie zum künstlerischen Schnörkel zu erheben. Das ist aber weniger ein Problem der Pietät als eines der emotionalen Wirkung: They Shall Not Grow Old rüttelt trotz dokumentarischem Filter auf; 1917 lässt trotz dramatischer Immersion kalt.
Die Mission führt Schofield und Blake durch feindliches Territorium. © Universal Pictures International Switzerland |
Dass 1917 trotzdem fasziniert, zeigt, wie gut Mendes und Deakins ihr Kunstgriff gelingt. Die Kamera schlängelt sich durch grossartig rekonstruierte und ausgestattete Schützengräben und Schlachtfelder, deren unheimliche Stille durch das Fehlen klar erkennbarer Schnitte umso schauerlicher wirkt. Und obwohl das Drehbuch Schofield und Blake keine grossen Gefallen tut, schafft es insbesondere George MacKay immer wieder, die Verlorenheit des Individuums im gigantischen Theater des Krieges fassbar zu machen. Insofern erweist sich 1917 trotz allem als würdiges Begleitwerk zu They Shall Not Grow Old: Wo Jackson sein Publikum den Krieg fühlen liess, macht Mendes ihn sichtbar.
★★★
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